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Cotton Reloaded - Folge 1: Der Beginn

Cotton Reloaded - Folge 1: Der Beginn

Titel: Cotton Reloaded - Folge 1: Der Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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mit der Durchsicht der Akte. Seine Zufriedenheit schlug jedoch schnell in Erschütterung und dann in Zorn um, als er die Fotos der ermordeten Prostituierten sah. Der Killer hatte sie bestialisch getötet, missbraucht und verstümmelt. Wobei die Reihenfolge nicht ganz eindeutig war. Auf den Tatortfotos lagen die Frauen in grotesk verkrümmten Posen auf dem Boden, einige mit abgeschnittenen Gliedmaßen, Nasen oder Lippen, andere mit aufgeschlitzten Unterleibern, die Eingeweide auf dem Boden verteilt, als hätte ein Raubtier sich in Raserei durch ihre Leiber gewühlt.
    Cotton starrte auf die Fotos. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Killer sehr bewusst und planvoll vorgegangen war. Irgendetwas an den Fotos irritierte Cotton. Er wurde das Gefühl nicht los, sie so ähnlich schon mal irgendwo gesehen zu haben. Bloß wo?
    Noch etwas fiel ihm auf. Der Killer hatte den Frauen einen Gürtel um den Hals geschnallt wie Hunden, und jeder von ihnen etwas in die Hand gedrückt, wie eine Art Abschiedsgeschenk. Eine zerbrochene Glühbirne. Den abgerissenen Stecker eines Bügeleisens. Einen kleinen Spielzeugelektromotor. Eine Taschenbatterie.
    Elektroschrott.
    Gürtel.
    Die Melodie eines alten Songs ging Cotton durch den Kopf, er kam nur nicht auf den Titel.
    Elektroschrott.
    Gürtel.
    Hinweise, lauter Hinweise. Ein Rätsel. Ein Spiel. Ohnehin hatte der Täter sich nicht die Mühe gemacht, seine Spuren zu verwischen. Sperma, Haut- und Gewebereste überall. Er hatte seine DNA praktisch wie eine Unterschrift hinterlassen, wie eine Verhöhnung der Polizei. Also fühlte er sich entweder unangreifbar, oder er rechnete damit, früher oder später geschnappt zu werden. Wartete vielleicht sogar sehnsüchtig darauf.
    So etwas war nicht unüblich. Nach Cottons Erfahrung gab es zwei Arten von Serientätern. Einige mordeten aus einem dumpfen Trieb heraus, dem sie ausgeliefert waren wie einem Fluch, andere liebten das Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden, das Gefühl der Macht, tun und lassen zu können, was sie wollten. Dieser Tätertyp hinterließ gerne Hinweise auf sich selbst, genoss das Gefühl der Überlegenheit und die Ohnmacht der Polizei. Und alles lief auf den einen Moment der Erlösung hinaus, im Kugelhagel zu sterben.
    Oder weiter zu morden.
    Cotton starrte wieder auf die Fotos. Beim Anblick der kleinen elektrischen Gegenstände wehte erneut ein schwacher Lufthauch durch die Rumpelkammer seines Gedächtnisses, wirbelte Staub auf, raschelte hie und da mit alten Erinnerungen, ohne allerdings etwas Brauchbares zutage zu fördern. Ein alter Song. Cotton überlegte, ob der Täter sich tatsächlich für unangreifbar hielt bei all diesen Hinweisen. Vielleicht war er ein Senator oder gar ein Regierungsmitglied, ein hohes Tier bei der CIA, verwöhnt vom Rausch der Macht. Vielleicht hatte er schon oft getötet, als Soldat, als Polizist oder in geheimdienstlichem Auftrag. Vielleicht war er aber auch außer Dienst und konnte einfach nicht aufhören.
    Vielleicht war das alles aber auch nur Schwachsinn.
    Doch Cotton wurde das bedrückende Gefühl nicht los, etwas Offensichtliches zu übersehen.
    Die Lage der Tatorte brachte ihn auch nicht weiter. Die Morde hatten sich - bis auf einen - auf die direkt an den Staat New York angrenzenden US-Bundesstaaten beschränkt. Pennsylvania, Vermont, New Jersey, Massachusetts. Ein riesiges Gebiet von mehreren tausend Quadratmeilen. Cotton rechnete kurz nach, von welchem Ort aus man jeden Tatort innerhalb eines Tages erreichen und wieder zurückkehren konnte. New York City, zum Beispiel. Washington D.C. schon nicht mehr.
    Und was sagt uns das?
    Er starrte auf die Akte, auf die Fotos, die Laborergebnisse. Blätterte, starrte, versuchte, das Muster zu erkennen, das der Killer hinterlassen hatte. Aber nach einer Stunde kam er immer noch nicht darauf.
    Nicht einmal der verdammte Song fiel ihm ein.
    Mit einem lauten Seufzer klappte Cotton die Akte zu, öffnete sie wieder, fotografierte die Tatortfotos mit seinem Smartphone und gab die Akte dann Zeerookah zurück, der konzentriert auf seinen Monitor starrte, auf dem nichts als lange Zahlenreihen angezeigt wurden.
    »Wo ist Agent Decker?«, fragte Cotton und blickte ihm über die Schulter.
    »Nicht hier.«
    »Wo steckt sie denn?«
    »Nicht hier, Mann.«
    »Was machst du da?«
    »Geh nach Hause und lass mich arbeiten, Cotton.«
    Dillagio blickte zu ihnen herüber. »Gibt’s ein Problem, Zeery?«
    Ohne aufzublicken winkte der Mesquakie ab.
    Genervt und grußlos

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