Cotton Reloaded - Folge 1: Der Beginn
und zerrten ihn fort.
Bing .
»Wir haben einen Treffer!«, rief Zeerookah.
Cotton riss sich los und stürzte zum Monitor. Die Leichen von fünf irakischen Frauen lagen sternförmig auf dem Boden angeordnet, grausam verstümmelt, Gürtel um die Hälse, in einem See aus Blut, der im lehmigen Boden versickerte. Mit einem Klick überlagerte Zeerookah das Bild mit den Fotos der toten Asiatinnen. Die gleichen Positionen.
Decker atmete hörbar aus. »Kontext bitte«, sagte sie leise.
»2010, zwölf Meilen südlich von Camp Ashraf in der Nähe von Khalis. Das Foto hat ein britischer Journalist geschossen. Nach offizieller Darstellung eine Vergeltungsaktion der Taliban für den Verrat eines Dorfchefs. Der Fall wurde nicht weiter untersucht.«
Cotton schüttelte fassungslos den Kopf.
»Camp Ashraf ist längst aufgegeben«, sagte Decker.
»Ich habe aber eine Liste der damals stationierten Soldaten«, sagte Zeerookah. Cotton ließ ihn nach einem Weißen Ende zwanzig, Anfang dreißig suchen, der einen Collegeabschluss in Literatur hatte und in New York lebte.
Nach kaum einer Minute hatte Zeerookah zwei Namen. Einer der beiden Männer saß im Rollstuhl, nachdem eine Mine ihm beide Beine zerfetzt hatte. Der zweite hieß Dewain Meyer und wohnte in Jersey City, auf der anderen Seite des Hudson.
Keine halbe Stunde später trafen Cotton, Decker und ein SWAT-Team dort ein und stürmten das heruntergekommene Haus in der McAdoo Avenue, Ecke Long Street.
Dewain Meyer oder Dewey, wie ihn die Kameraden seines Platoons nannten, leistete keinen Widerstand, denn er war bereits tot. Seit über einer Woche, wie der Obduktionsbericht später ebenso festhielt wie die Todesursache: einen Kopfschuss aus nächster Nähe, den Meyer sich mit einer Mossberg 590 Pumpgun selbst beigebracht hatte.
Bestialischer Gestank schlug Cotton wie eine Faust ins Gesicht, als er das Zimmer betrat, das Dewey zuletzt offenbar nicht mehr verlassen hatte. Seine Leiche hing schlaff, kopflos und aufgedunsen in einem uralten Fernsehsessel, umgeben von Müll, Essensresten, Pizzaschachteln, Bierdosen, zertrümmertem Mobiliar, Kot und schmutziger Wäsche. Bücher, Zeitungen, Toaster, Kaffeemaschinen, alte Computer und anderer Elektroschrott stapelten sich an den Wänden und ließen nur schmale Pfade im ganzen Haus frei.
Meyers Gesicht war nicht mehr vorhanden, er hatte sich den Kopf fast vollständig weggeschossen. Der Rest - eingetrocknetes Blut, Hirnmasse und Knochensplitter - hatten sich auf der Wand und den Fotos hinter ihm verteilt. In seinem Schoß lag eine zerfledderte Ausgabe von Walt Whitmans berühmtem Gedichtband »Grasblätter«. Meyers Daumen markierte sogar noch die Seite seines Lieblingsgedichts. In einer Ecke des Zimmers entdeckte Cotton die Überreste eines schon lange verendeten Hundes.
Trotz allem hatte Meyer offenbar noch genug Disziplin aufbringen können, seine Morde zu dokumentieren. Er hatte die Wand hinter sich frei geräumt und dort die Fotos aufgehängt, die er von seinen Opfern gemacht hatte. Fünf junge Frauen, die letzte drei Wochen zuvor.
Um sicherzugehen, untersuchte Cotton die Hände des Toten.
Kein Ring.
»Sieht ganz so aus, als ob wir Ihrer Spur weiter folgen, Decker«, sagte er, als sie wieder draußen vor dem Haus standen.
Decker schüttelte den Kopf. »Die Frage ist: Warum wurde Maggie dann überhaupt getötet?«
Ein Gedanke ging Cotton durch den Kopf. »Was, wenn sie gar nicht hinter Meyer her war?«
»Sie meinen, sie ist privat durch die Clubs gezogen?«, fragte Decker. »Aber warum musste sie dann sterben?«
»Vielleicht war sie an einer ganz anderen Sache dran. Ihr Mörder treibt einen Riesenaufwand, um seine Spuren zu verwischen. Vielleicht musste Maggie sterben, weil sie zu viel über ihn wusste.«
Decker sah Cotton an. Sie wirkte mit einem Mal verlegen.
»Danke für Ihre Unterstützung, Cotton. Ich meine das ernst. Ich werde es in meinem Bericht erwähnen und auch an Ihren Lieutenant beim NYPD weiterleiten.«
Cotton verstand. »Sie kicken mich raus aus dem Fall? Einfach so? Kommen Sie, Decker, das ist nicht fair.«
»Es war nie Ihr Fall, Cotton. Wie gesagt, Sie haben gute Arbeit geleistet.«
Sie reichte ihm die Hand. Cotton dachte nicht daran, sie zu ergreifen.
»Ihr letztes Wort, Decker?«
»Alles Gute, Cotton. Sie sind ein tüchtiger Cop. Ich ... Ich kann Sie ja noch nach Hause fahren.«
Cotton kam nah an sie heran. »Wissen Sie, was Sie mich können, Decker?«
*
Wütend, frustriert, gekränkt und
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