Couchgeflüster
beiden Händen lässig in die Runde. «Suchen Sie sich was aus. Es gibt keine Vorschriften. Manchmal lege auch ich mich auf die Couch, und … ähm … die Patienten sitzen neben mir.»
O nein! Was rede ich da für einen Stuss?
Nelly Nitsche, du bist weder Therapeutin, noch hast du Patienten!, ermahne ich mich. Aber ein sanftes Lächeln ist auf keinen Fall verkehrt. Therapeuten müssen wahrscheinlich einfach dauernd lächeln, um Gelassenheit und Ruhe auszustrahlen. Jedenfalls stelle ich mir das so vor.
Ben taxiert erst den hellen maskulin wirkenden Ledersessel und danach die Couch.
«Wenn Sie möchten, können Sie auch gerne ausprobieren, was Ihnen zusagt», ermuntere ich ihn. «Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.»
Unschlüssig bleibt er stehen. Offensichtlich fällt ihm die Entscheidung schwer. Oder kann es sein, dass er sofort wieder vergisst, was er gerade wollte? Ich muss dringend nachsehen, was das für eine spezielle Amnesie sein soll, unter der er leidet.
«Wo sitzen Sie denn?», wendet er sich jetzt an mich.
Ich? Huch, das habe ich mir ja noch gar nicht überlegt.
«Ähm, auch da gibt es kein Muss», antworte ich souverän und schlage vor: «Wir könnten uns ja mit den beiden Thonet-Stühlen an den kleinen Tisch am Fenster setzen. Ganz ungezwungen, wie in einem Café … Möchten Sie vielleicht etwas trinken?»
Ben lächelt dankbar. «Ja, ein Glas Wasser, bitte. Es ist ziemlich heiß heute. Noch lieber wäre mir natürlich ein Erinnerungsshake, falls Sie so etwas haben.»
«Mal sehen, was sich machen lässt.» Amüsiert steige ich auf seinen Scherz ein und entschuldige mich dann für einen Moment. Beim Rausgehen greife ich beiläufig in das Regal mit den Fachbüchern nach dem «Lexikon der Psychologie» und eile damit in die Küche.
Als ich wenig später mit zwei Gläsern und einer Flasche Mineralwasser auf einem Tablett erscheine, hat Ben vor dem Schreitisch auf einem der Stühle Platz genommen.
Fragend sieht er mich an, als ich eintrete. «Ist das okay?»
«Oh, ja … ganz prima», versichere ich erleichtert. Denn auch ich werde mich am Schreibtisch wohler fühlen. Dann kann ich unterm Tisch unauffällig die Hände ringen, falls ich in meiner Unwissenheit nicht weiterweiß.
Ich stelle das Tablett ab, gieße uns Wasser ein und nehme ihm gegenüber Platz.
Erwartungsvoll blickt mich Ben mit seinen grünen Augen an.
Nein, ich kann das nicht. Ich kann nicht einfach Mamas Platz einnehmen und so tun, als hätte ich den totalen Durchblick. Dabei würde ich Ben doch so gerne helfen! Er sieht so unglücklich aus und braucht ganz offensichtlich Hilfe. Und ich wäre im Moment auch äußerst dankbar für ein paar Hinweise, wie man eine Therapie beginnt.
Welche Fragen stellt man? Gibt es vielleicht Fragebögen? Muss man die Personalien irgendwo eintragen?
Huch! Sehe ich da ein fragendes Flackern in seinen Augen? Hat er sich jetzt doch an mich erinnert? Ach du Schreck, was ist, wenn er mich durchschaut? Ich darf gar nicht daran denken, was das für Folgen haben könnte, wenn er mich entlarvt.
Durchatmen, ermahne ich mich. Vielleicht sollte ich so tun, als würde ich im Computer etwas lesen? Das sähe doch bestimmt schon mal superprofessionell aus, oder?
Bemüht gelassen öffne ich den Laptop. Während der Rechner hochfährt, nippe ich an meinem Wasser und lächle Ben freundlich an. Ob er schon mal eine Therapie hatte, überlege ich, und somit eine gewisse Ahnung hat, wie so was abläuft?
«Ähm, zunächst mal eine grundsätzliche Frage, Herr Reuther», beginne ich mit gleichmütigem Unterton, der Ben suggerieren soll, dass ich diese harmlose Frage jedem Erstpatienten stelle. «Waren Sie bereits in psychotherapeutischer Behandlung?»
«Ja … Nein … Na ja, nicht direkt.» Er fährt sich durch die Haare. «Ich hatte in den letzten Wochen oft Kopfschmerzen, und mir war häufig schwindelig. Deshalb habe ich meinen Hausarzt aufgesucht, der mich wiederum an einen Neurologen überwiesen hat. Dort wurden diverse Tests mit mir gemacht, um körperliche Beschwerden auszuschließen. Dann empfahl man mir, mich an Sie zu wenden», sprudelt Ben los.
Dauerkopfschmerzen? Das wird ja immer verzwickter.
«Nun, ich benötige die Information natürlich nur für die Unterlagen», informiere ich ihn und blicke dabei auf den Laptop, als würde ich seine Antwort irgendwo eintragen wollen. Nur leider will das blöde Ding ein Passwort von mir wissen.
Mist! Das bringt mich jetzt total aus dem
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