CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
abgesehen. Stattdessen bot ihm Rob Bier und Pizza und ein offenes Ohr an. Und einen Schlafplatz, der nicht Flips Bett war. Das musste fürs Erste genügen.
Erst diesen Montag saß ich an seinem Bett und ich hätte schwören können …
Der Tag, an dem er in der Schule ohnmächtig geworden war. Seine Vision. Alex hatte sich nicht geirrt; er hatte dort auf dem Boden vor dem Lehrerzimmer keine Halluzination gehabt. Es war alles echt gewesen. Er war ganz kurz in seinen Körper zurückgekehrt und dann wieder herausgerissen worden.
Aber sie hatte es
gemerkt.
Mum hatte ihm in die Augengesehen, hatte es an den Lauten erkannt, die er von sich gab, und sie hätte beinahe die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Beinahe.
»Ich hab’s dir doch gesagt«, redete Alex auf Rob ein. »Ich und Flip, wir haben wieder getauscht.«
Rob nickte und hielt den Blick auf die Straße gerichtet. »Wenn du meinst.«
»Das bedeutet, dass es klappen kann, oder?«
Sie fuhren langsamer, bogen ab, der Campingbus passte gerade unter einem Höhenbegrenzungsbalken durch, dann standen sie auf einem provisorischen, von Bäumen umstandenen Parkplatz. Der Platz war leer und unbeleuchtet. Rob parkte in der hintersten Ecke und stellte Motor und Scheinwerfer aus. Es wurde stockfinster um sie herum.
»Du weißt vielleicht,
dass
es klappen kann«, sagte Rob, »aber du weißt noch lange nicht,
wie
.«
Sie saßen nebeneinander unter der Heckklappe, im spärlichen Schein der Innenbeleuchtung, die durch die offene Tür fiel, und aßen. Drinnen im Auto war es zu stickig, außerdem hatte es durchaus etwas, in der frischen Nachtluft zu essen, umgeben von würzigem Kiefernduft und dem Rauschen der hohen Bäume. Diesmal sah sich Alex mit dem Bier etwas vor.
»Fledermäuse!« Rob deutete auf die kleinen schwarzen Tiere, die unter den ausladenden Ästen im Zickzack hin und her schwirrten. »Ich hab hier auch schon Dachse gesehen. Und Füchse und Eulen.«
Alex schaute den Fledermäusen zu, obwohl er sie im Dunkeln kaum erkennen konnte. Ihm fiel ein, dass er schon einmal hier gewesen war, bei einem Ausflug mit dem Team Garamond, einer Waldwanderung. Sie waren erst ein Stück gelaufen, dann hatten sie Decken ausgebreitet, den Picknickkorb aufgeklappt und die Boulekugeln bereitgelegt. »Kahlenberg« hieß diese Gegend, nach den klippenartigen Felsen, die über dem Tal aufragten und von Weitem wie eine große graue Wunde im Wald aussahen. Die Garamonds hatten auf einer mit Gras bewachsenen Lichtung oberhalb der Felsen gepicknickt, von wo aus sie die Bergsteiger und Kletterer beobachten konnten.
Es war ein wunderschöner Tag gewesen. Heute kam ihm die Gegend völlig fremd vor.
Eigentlich hatten sie es nicht verdient – Flips Familie –, die Art und Weise, wie Alex gegangen war. So wie er mit der Mutter im Garten gesprochen hatte und jetzt wieder, über Handy. Sie konnten ja nichts dafür. Alex war zwar nicht ihr Sohn, aber sie hatten ihn trotzdem so lieb, als wäre er es.
Es war Robs Idee gewesen, ihnen Bescheid zu geben, dass ihm nichts passiert sei.
So hältst du sie dir vom Hals, bis du weißt, was du machen willst.
Alex erklärte Mrs Garamond, er sei bei einem Freund – nein, er wollte nicht sagen, bei welchem –, und er würde dort übernachten und damit Schluss. Ohne abzuwarten, was sie dazu sagte, beendete er den Anruf und machte das Handy aus. Aber das, was er gehört hatte, genügte, umzu wissen, dass sie sich aufregte und Sorgen um ihn machte.
»Hast du dich mies gefühlt«, fragte er, »als du Robs Familie in Dunedin verlassen hast?«
»Ich war einundzwanzig. Ich hab nicht mal bei ihnen gewohnt, weil ich studiert habe. Das ist etwas ganz anderes.« Rob biss in seine Pizza, kaute, schluckte und spülte mit Bier nach. »Trotzdem kam ich mir mies vor. Wie man es auch dreht und wendet, ich habe ihnen den Sohn weggenommen.«
Sogar gleich zweimal, dachte Alex. Erst beim Seelenwechsel und dann noch einmal, als »Rob« Neuseeland verließ, um in sein und Chris’ Geburtsland zu reisen.
»Würdest du wieder zurückgehen?«, fragte Alex.
»Nach Dunedin?«
»Zu Chris. Wenn das möglich wäre, meine ich. Wenn er noch da wäre.«
Rob überlegte. »Ich glaube, das mache ich gerade. Gewissermaßen. Ich bin nach Großbritannien zurückgekehrt, hänge ständig in Manchester rum, wo seine Eltern wohnen und Lisa.« Er wischte sich die Hände mit einer Papierserviette ab, einen Finger nach dem anderen. »Näher komme ich nicht an ihn ran.«
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