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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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nicht mehr wie einen Wildfremden an oder wie einen Geisteskranken oder wie beides zusammen. Hatte er etwa erwartet, dass Cherry es ganz cool aufnahm? Dass es für sie keine große Sache war? Dass sie ihm auch nur ansatzweise
glaubte
?
    »Neulich, auf dem Parkplatz   …«, er öffnete die Augen und starrte auf einen Punkt an der Wand, damit er die versteinerte Cherry nicht ansehen musste, »da habe ich gerade eine Mailboxnachricht von einer Frau abgehört, die mit meiner Mum zusammenarbeitet. Sie hat mir mitgeteilt, dass ich meine Mum auf gar keinen Fall mehr anrufen soll. Wenn ich es noch einmal versuche, verständigt sie sofort die Polizei.«
    »Du   … du sollst   … Sie hat dir verboten, deine Mum anzurufen?«
    »Meine richtige Mum, die in London. Die Kollegin hat mir nicht geglaubt, wer ich bin.«
    Das musste Cherry erst einmal verdauen. Sie musterte ihn, als wollte sie sich jede Einzelheit einprägen   – falls man sie irgendwann dazu befragen sollte.
    »Ziemlich abgefahren, was?«, sagte Alex, als ihm ihr Schweigen allmählich unheimlich wurde.
    »Du meinst das ernst!« Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Du glaubst wirklich, dass   … ja, was eigentlich? Dass du tatsächlich jemand anders bist. Also echt, Philip, jetzt mach aber mal   …«
    »Das hier ist Philip.« Alex zeigte auf sein Gesicht, auf seinen Körper. Dann tippte er sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. »Hier drin bin ich Alex.«
    »In deinem Kopf?«
    »Mein Verstand gehört Alex. Mein Bewusstsein. Meine Seele, wenn du so willst.«
    Wieder das gezwungene Lachen. Cherry griff sich mit beiden Händen in die dichten Locken und strich sie aus dem Gesicht. Da hörte man Mrs Jones von unten hochrufen. Cherry schaute zur Tür und dann wieder zu Alex. »Und wie soll das passiert sein?«
    Alex fing an, ihr die Theorie der »Seelenzwillinge« zu erläutern, merkte aber rasch, dass sie ihn daraufhin für noch viel gestörter hielt.
    Sie fiel ihm ins Wort. »Aber, dieser Alex   … Du behauptest, seine Seele sei von seinem Körper in den von Philip hier übergewechselt. Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja.«
    »Deine. Seele. Hat. Den. Körper. Gewechselt.«
    Tonlos, abgehackt, als wären jeweils Punkte zwischenden Wörtern. In ihrer Stimme schwang keine Verunsicherung mehr mit, sondern etwas anderes, das Alex nicht benennen konnte.
    »Ist dir nicht aufgefallen, dass er sich verändert hat? Flip, meine ich.«
    Alex zählte die Auffälligkeiten an den Fingern ab: als er neulich völlig aufgelöst auf dem Parkplatz gestanden hatte; die Deutschstunden, in denen er sich anscheinend an keine einzige Vokabel mehr erinnern konnte und noch einmal ganz von vorn anfangen musste; als er zu ihr »in dem Haus« statt »zu Hause« gesagt hatte; dass er vieles nicht wusste, was er hätte wissen müssen (in Bezug auf die Schule, auf Lehrer und Mitschüler); wie er sich in der Schule verirrt hatte; dass er Cherry nach Dingen aus ihrem Leben fragte, die »Philip« gewusst hätte; dass er vieles über sich, sein Leben, seine Familie nicht wusste. Zum Beispiel, woher Beagle seinen Namen hatte. Dass er Gedichte in Cherrys Spind hinterließ. Dass er Klarinette spielen konnte, als hätte er jahrelang geübt.
    »Für das alles zusammengenommen gibt es nur
eine
Erklärung.« Er breitete die Arme aus. »Cherry   … Philip und Flip sind nicht derselbe.«
    Aber er sah, dass sie ihm nicht mehr richtig zuhörte.
    »Dabei hab ich dich so langsam richtig gerngehabt, Philip.«
    »Gleichfalls.«
    Von unten ertönte es: »Cher-ry! Wir müssen los, Schatz!«
    Sie schüttelte den Kopf, als wehrte sie eine lästige Wespe ab. In ihren Augen standen Tränen. Sie schob den Stuhl zurück, stand auf und wies auf den PC. »Das da   … tut mir leid, aber das ist einfach nur   …« Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich muss jetzt los.«
    Als sie zur Tür ging, sagte Alex ihren Namen; er machte Anstalten aufzustehen, wollte ihre Hand ergreifen. Aber sie entzog sich ihm.
    »Lass das, Philip.« Sie zitterte. »Lass   … lass einfach gut sein.«
    Sie ging hinaus. Er hörte ihre Schritte auf dem Flur, auf den Stufen. Die Abschiedsworte unten in der Diele, dann ging die Haustür auf und fiel wieder ins Schloss. Schritte auf der Straße. Autotüren. Ein Motor sprang an. Dann das Geräusch des davonfahrenden Wagens.
     
    Alex setzte sich an den Schreibtisch. Statt der Webseite flimmerte der vertraute Bildschirmschoner aus sich endlos verwebenden Röhren, die sich

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