Crash: Thriller (German Edition)
einige Sekunden lang und bewunderte den konzentrierten Ausdruck, der auf dem Gesicht des Teenagers lag. Dann klopfte er sacht auf den Tisch. »Ich bin hier, Michael. Es ist Zeit, nach Hause zu fahren.«
Der Junge hörte auf zu schreiben und legte den Kuli hin. Aber er schaute David nicht an. Er hielt die Augen auf die Papiere gerichtet. »Du bist zu spät«, sagte er. »Du solltest mich um 17 Uhr abholen. Es ist jetzt sieben nach.«
»Es tut mir leid. Auf der Interstate war viel Verkehr. Komm, wir gehen.«
Michael rührte sich nicht. David konnte sehen, dass ihn noch etwas beschäftigte. Er hatte gelernt, dass es in solchen Situationen besser war, den Jungen nicht zu drängen. Deshalb blieb David neben dem Tisch stehen und wartete.
»Mir gefällt diese Schule nicht mehr«, sagte Michael schließlich.
David holte tief Luft. Dieses Gespräch führten sie nicht zum ersten Mal. »Wir haben darüber schon geredet, Michael. Ich glaube, die Lehrer hier helfen dir sehr.«
»Nein, das tun sie nicht. Ich lerne hier nichts.«
»Du lernst, wie du mit anderen Menschen zurechtkommst. Und das ist sehr wichtig.«
Michael schüttelte den Kopf. »Mir gefällt diese Schule nicht. Ich will zu einer anderen gehen.«
Die Stimme des Jungen war ruhig, aber David bemerkte, dass die Mitarbeiter des Zentrums ihn sorgfältig beobachteten. Er musste diese Auseinandersetzung beenden, bevor sie eskalierte. »Schon gut, ich verstehe. Ich will mich ein bisschen umsehen, okay? Vielleicht finde ich ein anderes Zentrum, wo …«
»Das musst du nicht tun.« Michael nahm den Papierstoß in die Hand. »Ich habe schon eine andere Schule gefunden und den Aufnahmeantrag heruntergeladen.«
Er reichte David die Papiere. Es war ein langer Antrag mit einem halben Dutzend Seiten ausführlich zu beantwortender Fragen. Die Seiten lagen nicht in der richtigen Reihenfolge, aber David konnte sehen, dass Michael jede Frage in seiner wunderschön ordentlichen Handschrift beantwortet hatte. Er hatte kleine Aufsätze über seine persönlichen Ziele, seine Lieblingshobbys und seine liebsten Erinnerungen geschrieben. Er hatte sogar die Anmeldegebühr beigefügt, fünf Zwanzig-Dollar-Scheine, die er von seinem Taschengeld gespart hatte. Schließlich fand David die erste Seite des Aufnahmeantrags und sah in der obersten Zeile den Namen der Schule. Es war die Columbia University.
»Ich will Physik studieren«, sagte Michael. »Ich will Physiker werden.«
David traten Tränen in die Augen. Natürlich, dachte er. Das war die perfekte Wahl.
Michael zeigte auf einen Kasten am Ende der letzten Seite. »Für diese Anmeldung ist deine Unterschrift erforderlich. An der Stelle, wo ›Eltern oder Vormund‹ steht.«
David wischte sich die Augen ab. Dann nahm er den Kugelschreiber in die Hand und legte das Blatt auf den Tisch, um unterschreiben zu können.
»Mit Vergnügen«, sagte er. »Du wirst bestimmt ein toller Physiker, Michael.«
NACHBEMERKUNG DES AUTORS
Einen Wissenschaftsthriller zu schreiben, macht zum Teil aus dem Grund Spaß, weil man echte Technologien und wissenschaftliche Prinzipien in die Romanhandlung einbeziehen kann. Hier sind einige der Tatsachen und Theorien, die ich Crash einverleibt habe.
QUANTENCOMPUTER. Mein Interesse an diesem Gebiet begann 2008, als ich einen Artikel redigierte, der von zwei führenden Experten über Quantencomputing geschrieben worden war – Christopher R. Monroe von der University of Maryland und David J. Vineland vom National Institute of Standard and Technology. Monroe lud mich in sein Labor auf dem Campus der Universität in College Park ein, wo Wissenschaftler die ersten Schritte zum Bau ultraschneller Computer unternehmen, die Ionen zur Durchführung von Berechnungen einsetzen. Der Codes knackende Computer in Crash beruht auf den genialen Apparaten, die ich bei diesem Besuch gesehen habe. – Ich habe einige der Details vereinfacht; richtige Ionenfallen benötigen beispielsweise zusätzliche Elektroden und oszillierende elektrische Felder. – Mehr über die Technologie lässt sich in dem Artikel »Quantum Computing with Ions«, Scientific American , August 2008, erfahren.
IT FROM BIT. Seit Jahrzehnten spielen Wissenschaftler mit dem Gedanken, das Universum sei ein Computer und führe ein Programm aus, das den Urknall ausgelöst hat. Der herausragende Physiker John Archibald Wheeler formuliert es in seiner Autobiografie Geons, Black Holes und Quantum Foam: A Life in Physics, 1998: »Jetzt hat mich eine neue Vision
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