Crash: Thriller (German Edition)
Anacostia-Viertel von Washington, D. C., geboren worden, in dem es rabiat zuging. Obwohl sie unter all den Nachteilen von Armut und Vernachlässigung gelitten hatte, hatte sie es aus eigener Kraft aus dem Getto bis in eine Elitehochschule geschafft und war jetzt Professorin an einem der besten Physikseminare der Welt. Es passte einfach nicht zu ihr aufzugeben. Sie hatte es nicht mal in Erwägung gezogen.
David gab ihr einen Kuss auf die Stirn, wobei er die senkrechte Falte mit den Lippen berührte. »In Ordnung. Dann treibe ich die Herde mal zusammen. Vielen Dank für die aufmunternden Worte.«
»Jederzeit, mein Schatz.« Sie ließ die Hand unter sein Jackett gleiten und kniff ihn verstohlen in die Hüfte. »Ich komme nach Hause, sobald wir mit unserem Computerdurchlauf fertig sind, okay? Vielleicht hab ich eine kleine Belohnung für dich, nach all der harten Arbeit.« Sie zwinkerte ihm zu, bevor sie auf den Ausgang zuging.
Er schaute ihr nach, konnte den Blick kaum von ihrer Jeans lösen. Dann gab er einem seiner Doktoranden ein Zeichen, der den Konferenzteilnehmern den Weg zur Treppe zeigte. Innerhalb von zehn Minuten hatten sich alle wieder in dem großen Hörsaal versammelt und in Reihen mit lackierten Sitzen Platz genommen, die seit einem halben Jahrhundert nicht gestrichen worden waren. David hatte diesen Versammlungsort zum Teil aus symbolischen Gründen gewählt. Auf demselben Stockwerk der Pupin Hall lag das Labor, in dem das Atomzeitalter begonnen hatte. Vor zweiundsiebzig Jahren hatte eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung Enrico Fermis das Zyklotron der Columbia University benutzt, um Uranatome zu spalten. Obwohl die Wissenschaftler später zu einem größeren Labor in Los Alamos, New Mexico, umgezogen waren, war das Unternehmen als das Manhattan-Projekt bekannt geworden, weil das der Ort gewesen war, an dem es begonnen hatte. Das Zyklotron war mittlerweile verschwunden, demontiert, weggekarrt und als Schrott verkauft, aber David spürte immer noch seine Präsenz. Er konnte sich keinen besseren Ort vorstellen, an dem diese Diskussion stattfinden sollte.
Während er ans Rednerpult trat, bemerkte er, dass jeder Platz besetzt war. Noch mehr Menschen kauerten in den Gängen und standen hinter der letzten Reihe. Er kannte die meisten Physiker in der Menge und auch viele der Journalisten. Die Konferenz »Physiker für den Frieden« war auf einmal ziemlich aktuell geworden, und die Reporter in den ersten beiden Reihen musterten David aufmerksam.
Er legte seine Notizen auf das Pult und stellte das Mikrofon auf seine Höhe ein. »Ich heiße alle Anwesenden herzlich willkommen«, begann er. »Ich begrüße Sie zu der ersten Jahreskonferenz der ›Physiker für den Frieden‹. Ich muss zugeben, dass ich von der Beteiligung ein bisschen überwältigt bin. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, so viele Physiker in einem Raum zu versammeln, besonders wenn niemand sie zu Freibier und Pizza einlädt.«
Es gab einen oder zwei Lacher, dann herrschte wieder Schweigen. Seine Zuhörer waren zu erschüttert, um auf die üblichen Scherze anzusprechen.
»Wie die meisten von Ihnen wissen, bin ich kein Physiker. Ich bin Wissenschaftshistoriker, was mich hier zu einer Art Außenseiter macht. Meine Arbeit hat sich auf die Begründer der modernen Physik konzentriert – Albert Einstein, Niels Bohr, Erwin Schrödinger und so weiter. Ich habe untersucht, wie ihre Entdeckungen die Welt verändert haben, im Guten wie im Bösen.«
David legte eine Pause ein. In der Mitte der dritten Reihe hatte er zwei Nobelpreisträger entdeckt. Dr. Martin Chang, den Entdecker des Tau-Teilchens, saß neben Dr. Leon Hirsch, der die Theorie der Supraleitfähigkeit entwickelt hatte. Er fand ihre Anwesenheit ein bisschen einschüchternd.
»Im Lauf der letzten fünfzig Jahre«, fuhr er fort, »haben die Fortschritte in der Physik eine technologische Revolution ausgelöst. Sie haben zur Erfindung von Laserstrahlen und Computern, MRI-Apparaten und iPods geführt. Aber in der gleichen Zeit sind diese bahnbrechenden Entdeckungen dazu benutzt worden, immer raffiniertere Waffen herzustellen. Ballistische Flugkörper, Killersatelliten, Predator-Drohnen, Hellfire-Raketen. Und natürlich Nuklearwaffen, die leider, wie wir gerade erfahren haben, noch von einem weiteren Land eingesetzt werden können. Die Menschheit scheint entschlossen zu sein, neue Methoden zur Selbstzerstörung zu erfinden, und viele Wissenschaftler sind
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