Crash: Thriller (German Edition)
wird.«
David schüttelte den Kopf. All seine Bemühungen während der vergangenen zwei Jahre waren darauf ausgerichtet gewesen, das hier zu vermeiden. Offiziell war er immer noch Professor für Wissenschaftsgeschichte am Historischen Seminar der Columbia, aber mittlerweile nahm seine Arbeit bei den »Physikern für den Frieden« den größten Teil seiner Zeit in Anspruch. Er hatte seine Verbindungen in der Gemeinschaft der Wissenschaftler dazu benutzt, eine Organisation mit mehr als zweitausend Mitgliedern in der ganzen Welt auf die Beine zu stellen. Als Vorsitzender, Sprecher und wichtigster Spendenbeschaffer war David selbst mehrere Male bei CNN aufgetreten, ein hoffnungslos ernster sechsundvierzigjähriger Aktivist in einem fadenscheinigen Tweed-Jackett, der über die Notwendigkeit internationaler Freundschaft und Kooperation fabulierte. Während der ganzen Zeit hatte er allerdings den Verdacht gehabt, dass ihn niemand ernst nahm. Für die Fernsehsender und Zeitungen war er nur ein weiterer Spinner, ein weiterer exzentrischer Professor mit ungekämmten Haaren und unpraktischen Ideen. Er war gut dafür, dann und wann mal zitiert zu werden, aber letzten Endes irrelevant.
»In einer kurzen Stellungnahme äußerte der Verteidigungsminister, das Pentagon studiere seine Alternativen. Die von der USS Theodore Roosevelt angeführte Trägergruppe hat ihren Kurs geändert und fährt nun in Richtung Persischer Golf.«
Während der nächsten Minuten stand er da wie gelähmt und lauschte den atemlosen Wiederholungen der Nachrichtensprecher. Um 17 Uhr sollte er die Konferenzteilnehmer mit seiner Ansprache begrüßen, aber er machte keinen Schritt auf den großen Hörsaal zu. Es hat keinen Sinn, dachte er. Wie konnte er über den Frieden reden, wenn die ganze Welt sich auf den Krieg vorbereitete? Er wünschte, er könnte die Begrüßung absagen und nach Hause gehen. Vielleicht würde er mit Lisa im Kinderwagen durch den Central Park bummeln. Oder mit Jonah und Michael ein bisschen Softball spielen.
Dann hörte er, wie sich jemand neben ihm räusperte. Er drehte sich um und erblickte Monique. Seine Frau legte den Kopf schief und lächelte. Eine ihrer bezaubernden Augenbrauen hob sich ein wenig und bildete einen kleinen Bogen auf ihrer Stirn. Ihr Gesicht war dunkelbraun und wie ein Herz geformt. »Wird es nicht langsam Zeit für Ihre Ansprache, Professor?«
David war entzückt, sie zu sehen. Obwohl Monique auch bei den »Physikern für den Frieden« beteiligt war – sie war eine der am höchsten angesehenen theoretischen Physikerinnen des Landes –, hatte sie David mitgeteilt, sie könne zu seiner Begrüßung nicht kommen, weil sie an diesem Abend im Computerlabor arbeiten müsse. Sie führte zusammen mit einem anderen Wissenschaftler aus dem Physikalischen Seminar der Columbia ein Simulationsprogramm zur Teilchenkollision an dem Supercomputer der Universität durch, der so sehr gefragt war, dass man die einmal gebuchten Zeitspannen nicht umdisponieren konnte. »Was ist passiert?«, fragte David. »Ist dein Computer kaputtgegangen?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie trug ihre normalen Arbeitsklamotten – eine verschossene Jeans, alte Turnschuhe und ein Bob-Marley-T-Shirt –, aber sie sah trotzdem besser aus als jeder andere in der Pupin Hall. Ihre Haare waren zu prachtvollen Cornrows geflochten und fielen über ihren Rücken hinab. »Nein, das Ganze verzögert sich nur ein bisschen. Man hat unser Experiment um zwanzig Minuten verschoben. Ich hatte gerade genug Zeit, um reinzuschauen und dir Glück zu wünschen.«
Er erwiderte ihr Lächeln. »Nun ja, ich kann’s brauchen.« Er zeigte auf den Bildschirm. »Hast du es in den Nachrichten gesehen? Die Iraner haben einen Atombombenversuch gemacht.«
Monique presste die Lippen zusammen, und ihre Augen wurden schmal. »Vergiss die Nachrichten, David. Du hast …«
»Wie kann ich sie denn vergessen? Niemand wird für etwas anderes Interesse aufbringen.«
»Nein, da irrst du dich. Diese Leute sind aus der ganzen Welt gekommen, um dich zu hören. Sie wollen etwas über den Frieden hören, nicht über den Krieg.«
»Das erinnert mich an einen alten Spruch. Friedensaktivisten können dem Krieg kein Ende setzen, aber der Krieg kann dem Friedensaktivismus ein Ende setzen.«
»Das glaube ich nicht. Keine Sekunde lang.«
Eine dünne senkrechte Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen. David wusste, was das bedeutete. Monique war eine Kämpfernatur. Sie war in einem Sozialbau im
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