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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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nachdachte, zuckte der erste kurze Schimmer einer Erektion seit dem Unfall durch das Gewebe meines Penis, was von einem leichten Nachlassen der Spannung in ihren schlanken Fingern begleitet wurde.

    Kapitel Vier

    Dieser erquickende Impuls, meine Lenden standen gewissermaßen Schwanz bei Fuß, hob mich fast buchstäblich vom Krankenbett empor. Binnen dreier Tage hinkte ich zur Physiotherapiestation, führte Botengänge für die Schwestern durch und hing im Stabszimmer herum, wo ich mich um Unterhaltungen mit den übermüdeten Ärzten bemühte. Das Gefühl eines vitalen Sex schnitt durch meine unglückliche Euphorie, meine verwirrte Schuld an dem Mann, den ich getötet hatte. Die Woche direkt nach dem Unfall war ein Alpdruck aus Schmerzen und wahnsinnigen Phantasien gewesen. Nach den Allgemeinplätzen des täglichen Lebens mit seinen banalen Tragödien war meine organische Expertise der Beschäftigung mit physischen Verletzungen rasch erloschen oder vergessen. Der Unfall selbst war die einzige wirkliche Erfahrung, die ich seit Jahren durchgemacht hatte. Zum ersten Mal befand ich mich in physischer Konfrontation mit dem eigenen Körper, einer unerschöpflichen Enzyklopädie von Schmerzen und Vorwürfen, wozu noch die feindseligen Blicke anderer Menschen und die Tatsache eines Toten kamen. Nachdem ich beinahe endlos mit Verkehrssicherheitspropaganda vollgestopft worden war, war es fast eine Erleichterung für mich, selbst in einen tatsächlichen Unfall verwickelt worden zu sein. Wie alle anderen auch, die Bilder und Filme imaginärer Unfälle im Fernsehen gesehen hatten, war ich von dem unbehaglichen Gefühl beschlichen gewesen, daß der gräßliche Höhepunkt meines Lebens bereits Jahre im voraus geprobt wurde, die nur den Machern dieser Filme selbst bekannt sein würde. Manchmal hatte ich mir sogar schon Gedanken über die Natur des tragischen Unfalls gemacht, bei dem ich ums Leben kommen würde.
    Ich ging zur Röntgenstation, wo eine freundliche junge Frau, die sich über den Zustand der Filmindustrie mit mir unterhielt, meine Knie röntgte. Ich genoß die Unterhaltung, den Kontrast zwischen ihrem idealistischen Bild vom kommerziellen Fernsehfilm und der nüchternen Weise, mit der sie inmitten ihrer bizarren Ausrüstung operierte. Sie hatte, wie alle Laborassistentinnen, etwas klinisch Sexuelles an ihrem plumpen Körper unter dem weißen Kittel. Ihre starken Hände schoben mich zurecht und legten meine Beine hin, als wäre ich eine Art übergroßer Puppe, eine jener komplizie rten, menschenähnlichen Puppen, die mit jeder möglichen Körperöffnung und jedem möglichen Schmerzempfinden ausgestattet sind.
    Ich legte mich zurück, als sie sich auf den Sehschlitz ihres Gerätes konzentrierte. Ihre linke Brust hob sich etwas unter dem weißen Stoff des Kittels, die Brust beulte sich unter dem Schlüsselbein aus. Irgendwo unter diesem Komplex aus Nylon und gestärkter Baumwolle befand sich ein großer, schlaffer Nippel, der von dem Stoff niedergedrückt wurde. Ich beobachtete ihren Mund, der sieh kaum mehr als zwanzig Zentimeter von meinem entfernt befand, als sie meine Arme in eine andere Haltung schob. Ohne etwas von meiner Neugier hinsichtlich ihres Körpers zu ahnen, begab sie sich zum Schalter der Fernbedienung. Wie konnte ich sie zum Leben erwecken - indem ich eine dieser massiven Stahlstreben in eine Gelenkpfanne unterhalb des Rückgrats rammte? Vielleicht würde sie dann zum Leben erwachen und sieh in angeregtem Tonfall über die letzte Hitchcock-Retrospektive mit mir unterhalten, eine aggressive Diskussion über die Rechte der Frau mit mir beginnen, in provozierender Weise mit den Hüften kreisen oder gar eine Brust entblößen.
    Statt dessen betrachteten wir einander in diesem Irrgarten elektronischer Maschinerie, als wären wir vollkommen ohne Denktätigkeit. Die Sprache einer unsichtbaren Erotik, von unentdeckten Geschlechtsakten, wartete hinter dieser komplexen Ausrüstung. Dieselbe unsichtbare Sexualität schwebte über den Passagierschlangen an Flughafenschaltern, den Kreuzungen ihrer kaum verhüllten Genitalien und den Rümpfen gigantischer Flugzeuge, sowie den schmollend aufgeworfenen Lippen von Stewardessen. Vor zwei Monaten war ich, während einer Reise nach Paris, entzückt gewesen von der Konjunktion des anschmiegsamen Gabardinekleides einer Stewardeß im Fahrstuhl vor mir und dem weiter entfernten Rumpf des Flugzeugs, der wie ein silberner Penis auf ihre Gesäßspalte gerichtet war. Ich hatte

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