Crash
dem Bahnhof abgeschleppt.«
»Hast du es gesehen?«
»Der Sergeant bat mich, es zu identifizieren. Er konnte kaum glauben, daß du lebend da rausgekommen bist.« Sie drückte ihre Zigarette aus. »Mir tut der andere Mann leid - Dr. Remingtons Mann.«
Ich sah vielsagend zur Uhr über der Tür und hoffte, daß sie bald gehen würde. Ihre geheuchelten Gefühle für den Toten ärgerten mich, da sie lediglich als Entschuldigung für eine Lektion in moralischer Gymnastik dienten. Das brüske Verhalten der jungen Schwestern war Teil desselben pantomimenhaften Bedauerns. Ich selbst hatte stundenlang über den Toten nachgedacht und mir die Auswirkungen seines Todes auf seine Frau und seine Familie vorzustellen versucht. Ich hatte an seine letzten Augenblick des Lebens gedacht, hektische Millisekunden von Schmerz und Gewalt, im Verlauf derer er von einem erfreulichen familiären Zwischenspiel in die Konzertina eines metallisierten Todes geschleudert worden war. Diese Gefühle existierten innerhalb meiner Beziehung zu dem Toten, innerhalb der Realität meiner Brust- und Beinverletzungen und innerhalb der unvergeßlichen Kollision zwischen meinem eigenen Körper und dem Inneren meines Wagens. Im Vergleich dazu war Catherines spöttischer Kummer lediglich eine Stilisierung dieser Geste - ich wartete darauf, daß sie ein Lied anstimmte, gegen ihre Stirn tippte, jede zweite Fieberkurve über den Betten berührte oder jedes vierte Kopfhörerpaar einschaltete.
Gleichzeitig aber wußte ich, daß meine Gefühle für den Toten und seine Frau, die Ärztin, bereits von gewissen undefinierten Feindseligkeiten überlagert waren, von halb geformten Racheträumen.
Catherine beobachtete meine Versuche, wieder zu Atem zu kommen. Ich nahm ihre linke Hand und preßte sie gegen mein Schlüsselbein. In ihren sophistischen Augen wurde ich bereits zu einer Art Emotionskassette, die mit allen Szenen von Schmerz und Gewalt, welche die Ereignisse unseres Lebens illuminierten, meine Stelle einnahm - Filmspulen mit Bildern von Kriegen und Studentenunruhen, Naturkatastrophen und brutalen Polizeieinsätzen, die wir im Farbfernsehgerät in unserem Schlafzimmer betrachteten, während wir einander gegenseitig masturbierten. Diese bei so vielen Gelegenheiten erfahrene Gewalt brachten wir auf intime Weise mit unseren Geschlechtsakten in Zusammenhang. Das Niederschlagen und Verbrennen verband sich in unseren Gedanken mit dem köstlichen Vibrieren unseres erregten Fle isches, das vergossene Blut von Studenten vermengte sich mit den Genitalsekreten, die unsere Finger und Münder befeuchteten. Sogar meine eigenen Schmerzen im Krankenhausbett, während Catherine die Bettflasche zwischen meine Beine schob und ihre bemalten Fingernägel meinen Penis kniffen, sogar die Schmerzwogen, die meine Brust erzittern ließen, schienen nur Ausdehnungen der wirklichen Welt der Gewalt zu sein, die in den Fernsehprogrammen und auf den Seiten der Zeitungen gezähmt und abgeschwächt wird.
Catherine ging wieder weg. Sie nahm die Hälfte der Blumen wieder mit, die sie mir mitgebracht hatte. Da der ältere der asiatischen Arzte sie beobachtete, verharrte sie am Fußende meines Bettes und lächelte mir mit plötzlicher Wärme zu, als wäre sie unsicher darüber, ob sie mich jemals wiedersehen würde.
Eine Schwester kam mit einer Schüssel auf die Station. Sie war neu auf der Unfallstation, eine resolut aussehende Frau in den späten Dreißigern. Nach einer freundlic hen Begrüßung schlug sie meine Laken zurück und begann mit einer sorgfältigen Untersuchung, bei der ihre ernsten Augen den Konturen aller Blutergüsse folgten. Einmal konnte ich ihre Aufmerksamkeit erwecken, doch sie sah mich nur ausdruckslos an und fuhr mit ihrer Arbeit fort, sie strich mit dem Schwamm am zentralen Verband entlang, der von der Hüfte zwischen meine Beine verlief. Woran dachte sie - an das Abendessen ihres Mannes, den letzten, unbedeutenden Infekt ihrer Kinder? War sie sieh der Automobilkomponenten bewußt, die schattenhaft in meinem Fleisch und meinen Muskeln abgedruckt waren? Vielleicht fragte sie sich gerade, welches Automodell ich fuhr, schätzte das Gewicht der Limousine und die Länge der Lenksäule.
»Auf welcher Seite wollen Sie ihn?«
Ich sah hinab. Sie hielt meinen schlaffen Penis zwischen Daumen und Zeigefinger und wartete darauf, daß ich mich entschied, ob ich ihn rechts oder links vom zentralen Verband hingelegt haben wollte.
Während ich über diese seltsame Entscheidung
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