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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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unwillkürlich ihre linke Hinterbacke berührt. Ich legte meine Handfläche auf die kleine Ausbuchtung des etwas abgetragenen Stoffes, als diese für mich vollkommen gesichtslose junge Frau ihr Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Nach einer langen Pause betrachtete sie mich mit einem wissenden Blick. Ich winkte ihr mit meiner Aktentasche zu und murmelte etwas in gebrochenem Französisch, während ich gleichzeitig eine ausführliche Pantomime des Hinabstürzens aus dem hochsteigenden Fahrstuhl vollführte, wobei ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Der Flug nach Orly fand unter den skeptischen Blicken zweier Passagiere statt, die Zeugen des Vorfalls gewesen waren, einem holländischen Geschäftsmann und seiner Frau. Während des kurzen Fluges befand ich mich in einem Stadium des Entzückens und dachte an die seltsam taktilen und geometrischen Landschaften von Flughafengebäuden, die Streifen stumpfen Aluminiums und die Wände aus imitierten Holzfurnieren. Sogar meine Beziehung zu einem jungen Barkeeper war durch die Konturen der Beleuchtungsanlage über seinem kahlen Kopf der gekachelten Theke und seiner stilisierten Uniform zum Leben erweckt worden. Ich dachte an meinen letzten, erzwungenen Orgasmus mit Catherine, den viskosen Samen, den meine müden Lenden in ihre Vagina abgespritzt hatten. Die metallisierten Wonnen unserer gemeinsamen Träume von der Technologie überschatteten nun das Profil ihres Körpers. Die eleganten Lüftungssehlitze aus Aluminium in den Wänden der Röntgenstation lockten so unentrinnbar wie die wärmste organische Öffnung.
    »So, Sie sind fertig.« Sie schob einen kräftigen Arm unter meinen Rücken und hob mich in eine sitzende Stellung, wobei ihr Körper dem meinen so nahe kam wie beim Geschlechtsakt. Ich hielt ihren Arm oberhalb des Ellbogens fest, mein Handgelenk drückte gegen ihre Brust. Hinter ihr stand die Röntgenkamera auf einem hohen Stativ, dicke Kabel verliefen über dem Fußboden. Als ich wieder über den Flur davonschlurfte, konnte ich immer noch den Druck ihrer kräftigen Hände an mehreren Stellen meines Körpers spüren.
    Vom Gehen mit Krücken erschöpft, blieb ich nahe dem Eingang zur Unfallstation der Frauen stehen und lehnte mich an eine Trennwand im Korridor. Ein Streitgespräch zwischen der Schwester vom Dienst und einer jungen, farbigen Schwesternschülerin war im Gange, dem die gelangweilten Patienten in den Betten desinteressiert zuhörten. Zwei von ihnen lagen mit gespreizten Beinen da, als wären sie in Phantasien wahnsinniger Turnübungen verstrickt. Eine meiner ersten Gefälligkeiten war es gewesen, Urinproben von einer älteren Frau zu nehmen, die von einem radfahrenden Kind angefahren worden war. Man hatte ihr rechtes Bein amputieren müssen, und nun verbrachte sie die ganze Zeit damit, ein Seidentueh über den kleinen Stumpf zu falten, als würde sie endlos ein Päckchen einpacken. Am Tage war dieses senile alte Frauchen der Stolz der Schwestern, aber nachts, wenn keine Besucher anwesend waren, wurde sie auf die Bettpfanne gelegt und von den beiden im Stabszimmer strickenden Nonnen gehässigerweise ignoriert.
    Die Schwester gab eine zornige Antwort und machte auf dem Absatz kehrt. Eine junge Frau im Ausgehkleid und ein weißgekleideter Arzt betraten ein Privatgemach, das für »Freunde« des Krankenhauses reserviert war: Mitglieder der Schwesternschaft, sowie Ärzte und ihre Familien. Ich hatte den Mann schon zuvor gesehen, seine Brust war unter dem weißen Kittel immer entblößt und er führte Botengänge aus, die kaum bedeutender als meine eigenen Gefälligkeiten waren. Ich vermutete, daß er ein graduierter Student war, der sich hier im Flughafenkrankenhaus in Unfallchirurgie spezialisieren wollte. Seine kräftigen Hände trugen eine Aktentasche voller Fotografien. Während ich beobachtete, wie seine pockennarbigen Kiefer einen Kaugummi kauten, hatte ich plötzlich das Gefühl, als würde er obszöne Bilder zwischen den Stationen herumtragen, pornografische Röntgenaufnahmen und Tabellen verbotener Harnuntersuchungen. Ein Messingmedaillon hing an einer schwarzen Kordel auf seiner bloßen Brust, doch das augenfälligste an ihm war das vernarbte Gewebe um Stirn und Mund, Überbleibsel entsetzlicher Gewaltakte. Ich schätzte, daß er einer jener ambitio nierten jungen Arzte war, die immer mehr in das Berufsgebiet hineindrängen, Opportunisten mit einem modischen Gaunerimage, die ihren Patienten offen feindselig gegen überstanden.

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