Crash
verwirrten Charakter widergespiegelt sah. »Ist das hier Ihr Wagen?«
Sie berührte den Kühlergrill mit einer Hand im Handschuh und fuhr mit einem Finger eine hervorstehende Metallstrebe nach, als suchte sie nach Anzeichen der Gegenwart ihres Mannes auf dem blutverkrusteten Lack. Ich hatte bisher nach nicht mit dieser müden Frau gesprochen und fühlte daher, als müßte ich zu einer Entschuldigung über den traurigen Tod ihres Mannes und die unglückliche Verkettung gewaltsamer Umstände ansetzen, die uns zusammengeführt haften. Gleichzeitig aber vermittelte mir ihre Hand auf dem Kühler ein Gefühl extremer sexueller Verzückung.
»Sie werden Ihre Handschuhe zerreißen.« Ich entfernte ihre Hand vom Rost des Kühlers. »Ich glaube, wir hätten nicht herkommen sollen - ich bin überrascht, daß die Polizei so etwas nicht wesentlich erschwert.«
Ihr starkes Handgelenk bot meinen Fingern Widerstand, als würde sie gerade ihren physischen Racheakt an mir erproben. Ihre Augen verharrten auf dem schwarzen Konfettimuster auf der Motorhaube und den Sitzen.
»Waren Sie schlimm verletzt?« fragte sie. »Ich glaube, wir sind uns im Krankenhaus begegnet.«
Es war mir unmöglich, irgend etwas zu ihr zu sagen, da mir die fast besitzergreifende Art und Weise auffiel, mit der sie ihr Haar aus den Wangen strich. Ihr kräftiger Körper mit seiner nervösen Sexualität bildete eine starke Beziehung zu dem verbeulten und schmutzigen Wagen.
»Ich möchte den Wagen nicht« , sagte sie. »Ich muß voller Abscheu zur Kenntnis nehmen, daß ich sogar eine kleine Gebühr entrichten muß, um ihn loszuwerden.«
Sie verharrte vor dem Auto und sah mich mit einer Mischung aus Zorn und Interesse an, als würde sie damit zugeben, daß die Motive, aufgrund derer sie selbst hergekommen war, so zweideutig waren wie meine auch. Mir entging nicht, daß sie auf ihre nüchterne Art bereits über die Möglichkeiten nachdachte, die sich eröffnet hatten, als sie mich bei der Untersuchung dieses Instruments einer perversen Technologie ertappt hatte, das ihren Mann getötet und damit die Hauptstraße ihres Lebens versperrt hatte.
Ich bot ihr eine Fahrt zum Krankenhaus an.
»Danke.« Sie ging vor mir her. »Aber wenn Sie mich zum Flughafen fahren könnten?«
»Zum Flughafen?« Ich verspürte seltsamerweise das Gefühl eines Verlustes. »Weshalb… reisen Sie ab?«
»Noch nicht - wenn es auch einigen Leuten nicht früh genug sein kann, wie ich erst kürzlich herausgefunden habe.« Sie nahm die Sonnenbrille ab und schenkte mir ein ausdrucksloses Lächeln. »Nach einem Todesfall in einer Arztfamilie fühlen die Patienten sich doppelt unwohl.«
»Ich vermute, Sie tragen nicht Weiß, um sie zu beruhigen?«
»Wenn ich will, werde ich einen blutigen Kimono anziehen.«
Wir nahmen in meinem Wagen Platz. Sie sagte mir, daß sie bei der Einwanderungsbehörde des Flughafens arbeitete. Sie blieb sorgfältig auf Distanz vor mir und lehnte sich gegen die Beifahrertür, während sie das Wageninnere mit kritischem Blick begutachtete und den Anblick von wiederauferstandenem frischem Vinyl und poliertem Glas in sich aufnahm. Sie folgte den Bewegungen meiner Hände an den Kontrollen. Der Druck ihrer Schenkel gegen das heiße Pla stik bildete ein Modul intensivsten Entzückens: Ich vermutete bereits, daß sie selbst sich sehr wohl darüber im klaren war. Durch ein schreckliches Paradoxon wäre ein Geschlechtsakt zwischen uns beiden ein ausgezeichneter Weg gewesen, Rache an mir zu nehmen.
Dichter Verkehr blockierte die nördliche Schnellstraße von Ashford zum Londoner Flughafen. Das Sonnenlicht brannte auf der überhitzten Zellulose. Um uns herum beugten müde Fahrer die Köpfe aus den Fenstern oder lauschten dem endlosen Strom von Verkehrsmeldungen aus ihren Radios. In ihren Flughafenbussen eingeschlossen, mußten zukünftige Passagiere mit ansehen, wie die Flugzeuge vom Flughafen starteten. Nördlich vom Hauptgebäude konnte ich das hohe Deck der Überführung über der Tunnelzufahrt zum Flughafengelände erkennen, die vor langsam fahrenden Flugzeugen, welche bereit schienen, eine Zeitlupenwiederholung unseres Unfalls auszuführen, geradezu zu bersten schien.
Helen Remington holte eine Packung Zigaretten aus der Tasche ihres Regenmantels. Sie suchte das Armaturenbrett nach dem Zigarettenanzünder ab, wobei ihre Hand wie ein nervöser Vogel über meinem Knie schwebte.
»Möchten Sie eine Zigarette?« Ihre kräftigen Finger rissen das Zellophan auf. »Ich habe
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