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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Einwanderungsbehörde auf uns zukam, um mit kaltem Blick auf mögliche neue Wundmale zu schauen.

    Vaughan drückte die Filmkamera gegen den Rand des Lenkrads. Dann lehnte er sich mit gespreizten Beinen zurück und entspannte seine Hüften wieder. Seine weißen Arme und die weiße Brust, sowie die zahllosen Narben, die seine Haut überzogen, wie meine auch, verliehen seinem Körper einen ungesunden und metallischen Schimmer, der wie das abgeschabte Vinyl des Wageninneren aussah. Die scheinbar bedeutungslosen Kerben seiner Haut, die an Meißelschläge erinnerten, zeugten deutlich von den engen Umarmungen zusammenbrechender Fahrerkabinen, eine Keilschrift auf seinem Fleisch, die von zerschellenden Armaturen, zerbrochenen Zahnradaufhängungen und Standlichtschaltern eingegraben worden war. Zusammen erzählten sie in einer nüchternen Sprache von Schmerz und Pein, von Erotik und Verlangen. Das reflektierte Licht von Vaughans Scheinwerfern erhellte einen Halbkreis von fünf Narben um seine rechte Brustwarze, ein vorbereiteter Umriß für jede Hand, die seine Brust umklammern wollte.
    Ich stand neben Vaughan im Waschraum der Unfallstation vor den Pissoirs. Ich betrachtete seinen Penis und fragte mich, ob er ebenfalls von Narben gezeichnet war. Die Eichel, die er zwischen Daumen und Zeigefinger festhielt, wies eine tiefe Kerbe auf, die wie ein Kanal für überflüssigen Samen oder Gleitflüssigkeit aussah, Welcher Teil eines zerschmetternden Autos hatte seinen Penis so gezeichnet, bei welcher Verbindung seines Orgasmus mit einem verchromten Schalter war es geschehen? Das schreckliche Entzücken dieser Narbe erfüllte meinen Verstand, während ich Vaughan wieder zurück zu den Autos folgte und die heimkehrenden Krankenhausbesucher um uns herströmten. Seine seitliche Abweichung, die ich mit den verbeulten Seitenfensterstreben des Lincoln verglich, brachte deutlich Vaughans einzigartige und unvergleichliche Besessenheit zum Ausdruck, über die ich andauernd nachdenken mußte. Kapitel Zehn

    Über uns auf der Schnellstraße beleuchteten die Autoscheinwerfer des wartenden Verkehrs wie am Horizont aufgehängte Lampions den Abendhimmel. Vierhundert Meter links von uns stieg gerade ein Flugzeug von der Rollbahn in den Himmel, seine nervösen Maschinen trieben ihn himmelwärts. Jenseits des Grenzzaunes ragten reihenweise Metallstreben in die Luft. Die Pünktchen der Landelichter bildeten elektrische Felder, die an Stadtteile einer überbeleuchteten Metropolis erinnerten. Ich folgte Vaughans Auto entlang der verlassenen Seitenstraße. Wir fuhren durch eine Bebauungszone an der südlichen Grenze des Flughafens, einem unbeleuchteten Gebiet dreigeschossiger Wohnblocks für Flughafenangestellte, teilweise fertiggestellter Parkhäuser und Tankstellen. Wir kamen an einem verlassenen Supermarkt vorbei, der in einem Schlammtümpel erbaut war. Vaughans Scheinwerfer erhellten am Straßenrand große Stapel von Backsteinen, die an weiße Dünen gemahnten.
    In der Ferne wurde eine Reihe Straßenlaternen sichtbar, die die Grenze dieses müßigen Durchgangskomplexes markierte. Unmittelbar dahinter, im westlichen Vorgelände von Stanwell, befand sich ein Ortsteil ausschließlich mit Schrottplätzen und Schrottpressen, kleinen Autohändlern und Karosseriebetrieben. Wir fuhren an einem langen Transportla ster vorbei, der mit Schrottautos vollgeladen war. Seagrave richtete sich im Rücksitz von Vaughans Auto auf, da ein vertrauter Stimulus sein erschöpftes Gehirn erreichte. Während der Fahrt vom Krankenhaus hatte er mit dem Kopf gegen die Heckscheibe gelegen, sein blondes Haar war von meinen Scheinwerfern wie ein Nylonvlies beleuchtet wor den. Helen Remington saß neben ihm und warf mir hin und wieder einen Blick zu. Sie hatte darauf bestanden, daß wir Seagrave persönlich nach Hause begleiteten. Anscheinend mißtraute sie Vaughans Motiven.
    Wir fuhren in den Vorhof von Seagraves Garage und Büro. Sein Geschäft, das eindeutig schon einmal bessere Zeiten gesehen hatte, als er noch als Rennfahrer tätig gewesen war, hatte sich auf hochfrisierte und rasante Sportwagen spezialisiert. Hinter der schmutzigen Scheibe des Vorführraums stand eine Fiberglasnachbildung des Brookland-Rennwagens von 1903, verblichenes Flaggentuch war über die Sitze gespannt.
    Ich wartete darauf, daß wir wieder wegfahren konnten, und beobachtete, wie Helen Remington und Vaughan den benommenen Seagrave ins Wohnzimmer führten. Der Stuntfahrer betrachtete das billige

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