Crash
verborgene Gesicht ihrer Psyche, das sich erst in mittleren Jahren offenbart haben würde. Mich persönlich packten die geschwollenen Linien, die sich um ihren breiten Mund herum bildeten. Diese morbiden Druckstellen erinnerten an die einer egoistischen alten Jungfer, die auf die Geschichte einer großen Anzahl unglücklicher Affären zurückblickt. Später wurden noch mehr Blutergüsse auf ihren Armen und Schultern sichtbar, die Wundmale von Lenksäule und Armaturenbrett, als hätten ihre verflossenen Geliebten sie mit einer Reihe grotesker Hilfsmittel aus einer in zunehmendem Maße abstrakten Verzweiflung heraus geprügelt.
Hinter mir stand Vaughan immer noch an die Tür gelehnt. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, war sein Körper völlig ruhig. Seine manischen Bewegungen waren auf unerklärliche Weise durch den Anblick der Fotografien beruhigt worden. Ich blätterte die nächsten Seiten durch. Vaughan hatte ein ausgedehntes fotografisches Dossier über die junge Frau angefertigt. Ich vermutete, daß er bereits wenige Minuten nachdem sie mit dem Heck des Flughafenbusses kollidiert war, von ihrem Unfall erfahren hatte. Die aufgeschreckten Gesichter einiger Zuschauer sahen durch die Heckscheibe herein auf die verletzte Frau in dem zerschmetterten Sportwagen, den sie selbst wie eine monumentale Plastik unter dem Überhang ihrer Sitzreihen plaziert hatte.
Die nächsten Bilder zeigten, wie sie aus dem Auto gehoben wurde, ihre Bluse war blutgetränkt. Ihr Gesicht hatte sie ausdruckslos gegen den Oberarm des Feuerwehrmannes gepreßt, der ihren Körper wie ein Sektenangehöriger im amerikanischen Süden vom blutigen See des Vordersitzes aufnahm, als würde er im Blut eines Opferlamms einen obskuren Gottesdienst abhalten. Ein Polizist ohne Mütze hielt einen Griff der Trage fest, sein kantiger Kiefer wurde von ihrem linken Oberschenkel beiseite gedrückt. Zwischen den Schenkeln konnte man das dunkle Dreieck ihrer Scham erkennen.
Es folgten mehrere Seiten, die das Autowrack beim Schrotthändler zeigten, dann einige Nahaufnahmen der getrockneten Blutflecke auf dem Fahrersitz. Auf einem dieser Fotos war Vaughan selbst zu sehen, er sah in einer Byronschen Pose auf das Auto herab, sein kräftiger Penis war durch den Stoff seiner engen Jeans zu erkennen.
Die letzten Fotos zeigten die junge Frau in einem ver
chromten Rollstuhl. Entweder wurde sie von einem Freund geschoben, oder aber sie bewegte den Rollstuhl selbst durch die Rhododendrongeschmückten Korridore von Krankenhäusern, bis sie schließlich erste Fahrstunden in einem Auto für Körperbehinderte erhielt. Als ich sie die komplexen, handbedienbaren Bremsen und Gangschaltungen bedienen sah, erkannte ich erst das ganze Ausmaß der Veränderungen, die der Unfall in dieser tragisch verletzten Frau bewirkt haben mußte. Die ersten Fotografien von ihr im Unfallwagen zeigten eine konventionelle junge Frau, in deren symmetrischem Gesicht und ausgestrecktem Körper sich die gesamte Ökonomie eines müßigen und passiven Lebens widerspiegelte. Ich erahnte unbedeutende Flirts auf Rücksitzen von Autos, die sie ohne die geringste Ahnung von den tatsächlichen Möglichkeiten ihres Körpers genossen haben mochte. Ich konnte mir vorstellen, wie sie im Wagen eines wohlhabenden Beamten in mittleren Jahren saß und nicht die leiseste Ahnung von der Konjunktion hatte, die ihre Genitalien mit den stilisierten Armaturenbrettern formten, eine euklidische Vision von Erotik und Phantasie, die beim Autounfall zum ersten Male enthüllt werden würde, jener rücksichtslosen Verbindung, die sich auf ihre Knie und ihre Scham konzentrierte.
Diese angenehme junge Dame mit ihren erfreulichen sexuellen Wunschträumen war innerhalb der berstenden Konturen ihres Sportwagens neu geboren worden. Drei Monate später saß sie mit ihrem Physiotherapeuten in dem Invalidenwagen und hielt die Chromarmaturen fest, als wären es Verlängerungen ihrer Klitoris.
Ihre wissenden Augen schienen sich durchaus darüber im klaren zu sein, daß das Dreieck ihrer Genitalien ständig vor dem muskulösen jungen Mann entblößt war. Seine Augen weideten sich an der feuchten Spalte ihrer Vagina, während sie den Wahlhebel der Gangschaltung bediente. Der zerschmetterte Körper des Sportwagens hatte sie in ein Geschöpf mit entfesselter und perverser Sexualität verwandelt und innerhalb seiner zusammengedrückten Kotflügel und ausströmender Kühlerflüssigkeit alle Möglichkeiten ihrer Sexualität freigesetzt. Ihre
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