Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
Vom Netzwerk:
in seine ölverschmierten Hände, während Vaughan seinen Kopf hielt, dann schlurfte er hinter ihm und Helen Remington zur Unfallstation.

    Wir warteten auf ihre Rückkehr. Vaughan saß auf der Motorhaube seines Wagens im Dunkeln, ein Schenkel verdunkelte den Strahl eines Scheinwerfers. Er erhob sich rastlos und schlenderte um den Wagen herum, sein erhobener Kopf trotzte den Blicken der Abendbesucher, die zu ihren Stationen gingen. Während ich ihn von meinem Auto aus beobachtete, das neben seinem geparkt war, konnte ich sehen, daß er sich sogar jetzt dieser anonymen Zuschauer annahm. Er hielt seine Position im Scheinwerferlicht, als würde er dauernd von unsichtbaren Fernsehkameras beobachtet werden. Der frustrierte Schauspieler wurde in allen seinen impulsiven Bewegungen deutlich, wie auch in der zornigen Art, mit der er meine Reaktion auf sein Verhalten begutachtete. Er sprang auf seinen weißen Tennisschuhen zum Heck des Wagens und öffnete den Kofferraum.
    Gestört durch die Reflexion seiner Scheinwerfer in den Glastüren der physiotherapeutischen Abteilung, stieg ich aus meinem Wagen aus und sah zu, wie Vaughan in der Filmausrüstung in seinem Kofferraum suchte. Er wählte eine Filmkamera mit pistolenähnlichem Griff, schlug den Kofferraumdeckel wieder zu und nahm hinter dem Lenkrad Platz. Ein Bein nahm eine glamouröse Stellung auf dem schwarzen Asphalt ein.
    Er öffnete die Beifahrertür. »Kommen Sie her, Ballard. Es wird länger dauern, als die Remington annimmt.«
    Ich nahm an seiner Seite auf dem Vordersitz des Lincoln Platz. Er spähte durch den Sucher der Kamera, durch den er die Tür der Unfallstation betrachtete. Ein ganzer Stapel Fotografien von Unfallwagen lag im Schmutz auf dem Boden. Was mir an Vaughan am meisten auffiel, war die ungewöhnliche Stellung seiner Schenkel und Hüften. Es sah fast so aus, als wollte er seine Genitalien durch das Armaturenbrett des Wagens stoßen. Ich sah zu, wie er die Hüfte bewegte, während er durch die Kamera sah. Seine Gesäßbacken waren dicht zusammengepreßt. Ohne nachzudenken fühlte ich plötzlich den Wunsch, seinen Penis in die Hand zu nehmen und gegen die erleuchteten Tachometerscheiben zu pressen.

    Ich stellte mir vor, wie Vaughans kräftiges Bein das Gaspedal niederdrückte und ein Arm das Lenkrad hielt, während wir mit Höchstgeschwindigkeit über heißen Asphalt rasten.
    Ich kannte Vaughan von diesem ersten Augenblick an, bis zu seinem Tod ein Jahr später, doch der gesamte Kurs unserer Beziehung wurde innerhalb dieser wenigen Minuten fixiert, als wir im Lincoln saßen und auf Seagrave und Helen Remington warteten. Während ich an seiner Seite saß, konnte ich deutlich spüren, wie meine Feindseligkeit einer gewissen Achtung, ja sogar Bewunderung wich. Die Art, wie Vaughan sein Auto behandelte, war für sein ganzes Verhalten bestimmend - je nachdem aggressiv, zerstreut, gefühlvoll, grob, abwesend oder brutal. Der Lincoln hatte das Zahnrad vom zweiten Straßengang des Automatikgetriebes verloren - wie Vaughan mir später erklärte, war das während eines Straßenrennens mit Seagrave geschehen. Manchmal kam es vor, daß wir auf der Schnellstraße mit zehn Stundenkilometern dahinfuhren und den gesamten Verkehr aufhie lten, während wir darauf warteten, daß die defekte Kraftübertragung den Wagen auf Touren brachte. Mitunter konnte Vaughan sich wie eine Art Querschnittgelähmter verhalten, er drehte dann ratlos am Lenkrad, während seine Beine hilflos zu Boden hingen, als wäre der Wagen mit Kontrollen für Invaliden ausgerüstet, wenn wir mit großer Geschwindigkeit auf einen an einer Ampel wartenden Wagen vor uns zufuhren. Im letzten Augenblick hielt er aber immer an und spottete damit selbst seiner Rolle als Fahrer.
    Sein Verhalten gegenüber allen Frauen, die er kannte, war von denselben besessenen Spielchen geprägt. Mit Helen Remington unterhielt er sich normalerweise auf eine achtlose, ironische Art, doch manchmal konnte er auch höflich und zuvorkommend sein, wenn er mich in den Toiletten von Flughafenhotels bat, ob sie nicht Seagraves Frau, seinen kleinen Jungen oder auch ihn selbst behandeln könnte. Dann wenn er sich über etwas geärgert hatte, konnte er ihre Arbeit und ihre medizinischen Fähigkeiten gleichermaßen in den Staub treten. Auch nach ihrer Affäre schwenkte Vaughans Stimmung immer zwischen Leidenschaft und blasierter Langeweile hin und her. Er konnte hinter dem Lenkrad seines Wagens sitzen, wenn sie von ihrem Büro bei der

Weitere Kostenlose Bücher