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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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einen Ruf sichern würde. Seagrave sagte etwas zu ihm, während Vaughan ihm den Zigarettenstummel hielt, damit er sich anschnallen konnte. Sein gefärbtes blondes Haar bildete den Hauptbrennpunkt des Interesses im Stadion. Der Ansager informierte uns, daß Seagrave den Zielwagen steuerte, der von einem ins Schleudern geratenen Lastwagen auf vier entgegenkommende Fahrzeuge zugeschoben werden würde.
    Schließlich verließ Vaughan ihn und eilte zur Ansagerka
    bine hinter uns. Es trat eine kurze Pause ein, nach der uns der Ansager mit triumphierender Stimme verkündete, daß Seagrave seinen besten Freund gebeten hatte, den Lastwagen zu fahren. Diese letzte dramatische Meldung konnte das Interesse der Menge ebenfalls nicht steigern, doch Vaughan verließ die Kabine zufrieden wieder. Sein harter Mund mit den vernarbten Lippen war zu einem Lächeln verzerrt, während er die Rampe hinab ging. Als er Helen Remington und mich sah, winkte er uns zu, als wären wir lange schon Zuschauer dieser morbiden Spektakel in der Arena.

    Zwanzig Minuten später saß ich in meinem Wagen hinter Vaughans Lincoln, während dem erschütterten Seagrave über der Parkplatz geholfen wurde. Die Nachbildung des Unfalls war ein Fiasko gewesen - von dem ins Schleudern geratenen Lastwagen getroffen, war Seagraves Wagen wie ein kurzsichtiger Stierkämpfer, der dem Stier direkt auf die Hörner springt, von den massiven Kotflügeln des Lastwagens aufgespießt worden. Der Laster hatte ihn fünfzig Meter weit mitgeschleift, bevor er ihn gegen einen der herannahenden Wagen gerammt hatte. Dieser heftige, ungeschützte Aufprall hatte die ganze Menge, Helen und mich eingeschlossen, auf die Beine gerissen.
    Einzig Vaughan war unbewegt geblieben. Während die fassungslosen Fahrer ausstiegen und Seagrave hinter dem Lenkrad seines Wagens hervorzerrten, eilte er rasch über das Gelände der Arena, wobei er Helen heftig zuwinkte. Ich folgte ihr über den Ascheplatz, doch Vaughan achtete gar nicht auf mich und schob Helen durch die Menge der Mechaniker und Platzwarte nach vorne.
    Obwohl Seagrave gehen konnte - er wischte seine schmierigen Hände an seinem silbernen Overall ab und starrte blicklos ins Leere-, bestand Vaughan darauf, daß Helen ihn und den Fahrer ins Northolt General Hospital begleitete. Als wir gestartet waren, mußte ich mich anstrengen, um nicht hinter dem Wagen Vaughans zurückzubleiben, dem staubigen Lincoln mit den großen Rücklichtern. Seagrave sackte neben Helen auf der Rückbank zusammen, doch Vaughan fuhr ungerührt mit Höchstgeschwindigkeit durch die Nachtluft; er hatte einen Ellbogen auf dem Türrahmen liegen und pochte mit den Fingern gegen das Dach. Ich nahm an, daß er probieren wollte, ob er mich abhängen konnte. Vor Ampeln betrachtete er mich durchdringend im Rückspiegel, dann fuhr er mit Vollgas weiter, wenn die Lichter umsprangen. Auf der Umgehungsstraße nach Northolt überschritt er die Geschwindigkeitsbegrenzung erheblich und überholte sogar vorsätzlich ein Polizeiauto auf der falschen Seite. Dessen Fahrer betätigte die Lichthupe, er zögerte erst, als er das rote Band um Seagraves Haar sah, das einem blutigen Mal glich, sowie meine dringende Lichthupe hinter sich.
    Wir verließen die Umgehungsstraße und bogen in eine Betonstraße ein, die direkt nach West Northolt führte, einem Vorort des Flughafens. Eingeschossige Wohnhäuser standen inmitten kleiner Gärtchen, die von Maschendrahtzäunen umgeben waren. Das ganze Gebiet wurde von jüngeren Flughafenangestellten bewohnt, Parkhauswächtern, Bodenpersonal und ehemaligen Stewardessen. Viele davon waren Schichtarbeiter, die den Nachmittag über schliefen, daher waren die meisten Vorhänge zugezogen, als wir durch die menschenleeren Straßen rasten.
    Wir bogen in die Zufahrt zum Krankenhaus ein. Vaughan schenkte dem Besucherparkplatz überhaupt keine Beachtung, er fuhr auch am Eingang für Notfälle vorbei und hielt mit quietschenden Bremsen auf dem Parkplatz für das Ärztepersonal Er schnellte aus dem Fahrersitz und winkte Helen aus dem Wagen. Seagrave strich sein blondes Haar glatt und kletterte mühsam von der Rückbank herunter. Er hatte den Gleichgewichtssinn noch nicht wiedererlangt und lehnte seinen massigen Körper gegen die Mittelstrebe des Fensters der Fahrerseite. Als ich seine glasigen Augen und den geschwollenen Kopf sah, war ich mir sofort darüber im klaren, daß dies nur der jüngste in einer ganzen Reihe ähnlicher Unfälle gewesen sein konnte. Er spuckte

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