Crash
meine Schulter gebeugt, der einem hoffnungsvollen Schüler etwas Nachhilfe zukommen lassen mochte. Als ich die Fotografie meines Mundes an Renatas Nippel betrachtete, beugte er sich über mich herab, doch seine Aufmerksamkeit war woanders. Mit einem abgebrochenen Daumennagel, dessen Rand ölverschmiert war, deutete er auf die verchromte Fensterstrebe und ihren Winkel mit dem überdehnten Büstenhalter der jungen Frau. Durch eine seltsame Laune des Schicksals formten diese beiden eine Schlinge aus Metall und Nylon, aus der der steife Nippel sich direkt in meinen Mund zu erstrecken schien.
Vaughans Gesicht war ausdruckslos. Eine Verbrennung während der Kindheit hatte ein Netz von Pockennarben in seinem Nacken hinterlassen. Ein scharfer, aber nicht unerfreulicher Geruch ging von seinen Jeans aus, eine Mischung aus Samen und Kühlerflüssigkeit. Er blätterte das Album selbst weiter durch und zeigte mir gelegentlich eine besonders ausgefallene Kameraposition.
Ich sah zu, wie Vaughan das Album schloß und fragte mich, weshalb ich nicht im mindesten zornig werden und ihn wegen dieses Eindringens in mein Privatleben maßregeln konnte. Doch Vaughans Unberührtheit gegenüber meinen Gefühlen und Sorgen hatte bereits ihre Wirkung getan. Vie lleicht war ein latentes homosexuelles Element in mein Bewußtsein vorgedrungen, hervorgerufen durch seine Fotografien von Sex und Gewalt. Die deformierten Körper der jungen Frauen, wie auch die zerschmetterten Karosserien der Automobile, enthüllten die Möglichkeiten völlig neuer Sexualität. Vaughan hatte meine Notwendigkeit einer positiven Reaktion auf meinen Unfall artikuliert.
Ich betrachtete Vaughans lange Schenkel und die straffen Gesäßbacken. So sinnlich ein Akt der Sodomie mit Vaughan auch auf mich wirkte, die erotische Dimension fehlte völlig. Und doch machte gerade dieses Fehlen die Möglichkeit eines sexuellen Aktes mit Vaughan nur wahrscheinlicher. Wenn ich meinen Penis in seinem Rektum plazierte, während wir gemeinsam auf der Rückbank seines Wagens lagen, würde dies ein Ereignis sein, das ebenso stilisiert und abstrakt sein würde wie die Aufzeichnungen und Vaughans Fotografien.
Der Fernsehregisseur kam benommen zur Tür hereingetaumelt. Er hielt eine feuchte Zigarette zwischen den Fingern.
»V. - kriegst du das wieder hin? Seagrave hat’s ver
pfuscht.« Er zog trocken an einem Ende der Zigarette und nickte mir zu. »Mitten ins Nervenzentrum, was? Vaughan kann alles wie ein Schwerverbrechen erscheinen lassen.«
Vaughan stellte das Kamerastativ ab, das er geölt hatte, und drehte die Zigarette mit geschickten Fingern neu. Er streute sogar die Haschkrümel wieder darüber, die in seine Handfläche fielen. Er leckte das Papier mit einer spitzen Zunge, die wie diejenige eines Reptils aus seinem narbenumkränzten Mund hervorschoß. Seine Nasenlöcher sogen den Rauch ein.
Ich blätterte einen Stapel frisch entwickelter Fotos auf dem Fenstersims durch. Sie zeigten das bekannte Gesicht der Filmschauspielerin, die gerade ihre Limousine vor einem Londoner Hotel betrat.
»Elizabeth Taylor - folgen Sie ihr?«
»Noch nicht. Aber ich muß sie unbedingt einmal treffen, Ballard.
»Als Teil Ihres Projekts? Ich glaube kaum, daß sie Ihnen weiterhelfen kann.«
Vaughan schlurfte auf seinen unbeholfenen Beinen durch den Raum.
»Sie arbeitet doch derzeit in Shepperton. Haben Sie sie nicht selbst für einen Ford-Werbefilm eingespannt?«
Vaughan wartete, daß ich das Wort ergriff Ich wußte, daß er jede sich bietende Gelegenheit ergreifen würde. Doch da ich an Seagraves grimmige Vorstellung dachte, die Schauspielerinnen sollten alle gezwungen werden, in ihren Stuntwagen Unfälle zu bauen, beschloß ich, ihm nicht zu antworten.
Vaughan sah all diese Gedanken über mein Gesicht huschen und wandte sich zur Tür. »Ich rufe jetzt Helen Remington - aber wir werden uns noch einmal darüber unter halten, Ballard.«
Er überreichte mir wahrscheinlich als Friedensangebot - ein Bündel dänischer Pornohefte. »Sehen Sie sich die mal an - die sind sehr professionell gemacht. Vielleicht können Sie sie gemeinsam mit Dr. Remington genießen.«
Gabrielle, Vera Seagrave und Helen waren im Garten, ihre Stimmen wurden vom Dröhnen eines Flugzeugs ertränkt, das vom Flughafen startete. Gabrielle ging in der Mitte, ihre geschienten Beine gingen wie als Parodie auf den gezierten Hochschulabsolventinnengang. Ihre bleiche Haut reflektierte das Licht der Straßenlampen. Helen hielt ihren
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