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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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linken Ellbogen und führte sie sanft durch das kniehohe Gras.
    Ich betrachtete die Farbfotos in den Magazinen. Jede hatte in der einen oder anderen Form als zentrales Motiv ein Automobil - erfreuliche Bilder junger Paare beim Gruppensex um eine große amerikanische Limousine herum, die inmitten einer blühenden Wiese geparkt war; ein nackter Geschäftsmann in mittleren Jahren vergnügte sich auf dem Rücksitz eines Mercedes mit seiner Sekretärin; Homosexuelle entkleideten einander im Verlauf eines Picknicks am Wegesrand; Teenager befanden sich in einer Orgie von motorisiertem Sex auf einem Motorrad, mit dem sie zwischen geparkten Wagen durchfuhren. Auf allen Bildern reflektierten schimmernde Armaturenbretter, Fensterscheiben oder Chromteile, die sanften Wölbungen eines Magens oder eines Schenkels oder den Urwald von Schamhaar zwischen den Winkeln der abgebildeten Autokabinen.
    Vaughan betrachtete mich aus einem gelben Liegestuhl, während Seagrave mit seinem kleinem Sohn spielte. Ich erinnere mich an sein entrücktes, aber ernstes Gesicht, als Seagrave sein Hemd aufknöpfte und den Mund des Kindes auf seine Brustwarze preßte, wobei er die vernarbte, harte Haut zur Parodie einer Brust zurechtdrückte.

Kapitel Elf

    Die Begegnung mit Vaughan und dem Album mit den Fotografien meines Unfalls hatte alle Erinnerungen an dieses Trauma der Träume wieder aufgefrischt. Als ich eine Woche später die Tiefgarage verlassen hatte, war es mir unmöglich, zu den Studios in Shepperton zu fahren. Es war fast, als hätte sich mein Wagen über Nacht in ein japanisches Einwegspielzeug verwandelt, als wäre er, wie mein Kopf mit einem Gyroskop ausgestattet, das nur zum Fuß der Zufahrt zur Überführung ausgerichtet war.
    Während ich darauf wartete, daß Catherine zu ihrer Flugstunde ging, lenkte ich den Wagen zur Schnellstraße und saß binnen weniger Minuten in einem dichten Verkehrsstau fest. Die Reihen stehender Fahrzeuge erstreckten sich bis zum Horizont, wo sie sich mit den dichtbefahrenen Straßen westlich und südlich von London trafen. Als ich ein kleines Stück weiter gefahren war, kam mein eigenes Apartmenthaus in Sicht. Ich konnte sogar Catherine hinter dem Geländer des Wohnzimmerbalkons erkennen, sie tätigte zwei oder drei Telefonanrufe, wobei sie sich in den Polstern räkelte. Auf unerwartete Weise schien sie sich in meine Person verwandelt zu haben - ich wußte genau, wenn sie gegangen war, würde ich die Wohnung betreten und, wie sie augenblicklich, meine Position auf dem Balkon beziehen. Zum ersten Mal wurde mir bewußt, daß ich selbst für Tausende von Autofahrern sichtbar war, wenn ich mich dort oben auf dem Balkon aufhielt. Gewiß hatten sich schon viele nach der Identität dieser bandagierten Gestalt gefragt. In ihren Augen mußte ich wie ein alptraumhaftes Totem ausgesehen haben, ein häuslicher Idiot, der an den Folgen irreversibler Gehirn schäden eines Verkehrsunfalls litt und nun jeden Tag mit der Beobachtung des Schauplatzes seines Gehirntodes verbrachte.
    Der Verkehrsstrom kroch langsam auf den Kreisverkehr der Western Avenue zu. Ich verlor Catherine aus den Augen, als unser Apartmenthaus von den Blocks der Nachbarschaft verdeckt wurde. Der Verkehr lag im von Fliegen heimgesuchten Sonnenlicht vor mir. Seltsamerweise verspürte ich fast so etwas wie Angst. Jenes profunde Gefühl der Vorahnung, das bisher wie die Verkehrsbeleuchtung meine Exkursionen erhellt hatte, war nun verschwunden. Vaughans Anwesenheit, irgendwo um mich her auf den blockierten Schnellstraßen, brachte mich zur Überzeugung, daß man einen Schlüssel zu diesem Autogeddon finden konnte. Seine Bilder von Geschlechtsakten, von ausschnittvergrößerten Kühlern und Armaturenbrettern, Konjunktionen zwischen Ellbogen und Chromleisten, Vulva und Armaturen, summierten die Möglichkeiten einer neuen Logik, die von jenen multiplen Artefakten erschaffen wurde - den Kodex einer neuen Verbindung zwischen Gefühl und Wahrscheinlichkeit.
    Vaughan hatte mir Angst eingejagt. Die gefühllose Art und Weise, mit der er Seagrave provoziert und mit den Gewaltphantasien des stockbetrunkenen Fahrers gespielt hatte, hatte mich davon überzeugt, daß er wahrscheinlich alles tun würde, um sich die Situation um ihn herum zunutze zu machen.
    Als ich mich der Kreuzung der Western Avenue näherte, beschleunigte ich, dann fuhr ich die erstmögliche Abbiegung wieder hinaus, Richtung Drayton Park. Als ich in die Tiefgarage fuhr, ragte der Apartmentblock wie ein

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