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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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verkrüppelten Schenkel und unnützen Beckenmuskeln wurden Modelle faszinierender Perversionen. Wenn sie direkt ins Objektiv von Vaughans Kamera blickte, war sie sich seiner wahren Interessen an ihr durchaus bewußt. Die Stellungen ihrer Hände am Lenkrad und auf dem Gashebel, bei denen die kranken Finger zurück auf ihre Brüste deuteten, waren Elemente eines stilisierten Masturbationsrituals. Ihr markantes Gesicht, dessen Züge nicht recht zueinander passen wollten, schien die deformie rte Karosserie des Autos nachahmen zu wollen. Es war fast so, als würde sie bewußt erkennen, daß diese verbogenen Schalthebel eine rasch verfügbare Anthologie entarteter Geschle chtsakte boten, daß sie Schlüssel zu einer alternativen Sexualität waren.
    Ich betrachtete mir die Fotografien im grellen Licht. Ohne nachzudenken stellte ich mir eine Serie imaginärer Bilder vor, die ich von ihr machen könnte: sie selbst bei unterschiedlichen Geschlechtsakten, ihre Beine von komplexen mechanischen Werkzeugen gestützt, von Flaschenzügen und Hebebühnen; als Partner ihr Physiotherapeut. Sie würde diesen jungen Mann in die neuen Parameter ihres Körpers einweihen und ihm eine Sexexpertise ausstellen, die ein exaktes Analogon zu anderen Fähigkeiten sein würde, die die Technologie des zwanzigsten Jahrhunderts hervorgebracht hatte. Ich dachte an den vorstehenden Riktus ihrer Wirbelsäule während des Orgasmus, an die aufgestellten Härchen ihrer untermuskulösen Schenkel, während ich das auf den Fotografien sichtbare stilisierte Symbol des Herstel lers und die scharf konturierten Säulen der Scheibenverstrebungen betrachtete.
    Vaughan stand still an der Tür. Ich blätterte die Seiten um. Wie ich erwartet hatte, bildete der letzte Teil des Albums eine detaillierte Bestandsaufnahme meines eigenen Unfalls. Anhand der ersten Aufnahme, die zeigte, wie ich in die Unfallstation des Asford Hospital getragen wurde, konnte ich feststellen, daß Vaughan bereits dort gewesen sein mußte, als ich ankam - später erfuhr ich, daß er über das VHF-Band seines Radios den Polizei- und Krankenwagenfunk abhörte.
    Die Bildfolge aber erstellte mehr ein Psychogramm Vaughans, als eines von mir, sie enthüllte mehr von der Landschaft und dem Fotografen, als von seinem Darsteller. Abgesehen von den Fotos, die er mit Teleobjektiv durch das offene Fenster des Sanatoriums aufgenommen hatte, wo ich im Bett lag und mehr bandagiert war, als mir damals bewußt geworden war, hatten alle im Album enthaltenen Bilder denselben Hintergrund - das Auto, das die Straßen rund um den Flughafen befuhr, in Staus auf der Überführung steckte oder in Einbahnstraßen und verschwiegenen Promenaden geparkt war. Vaughan war mir vom Polizeischrottplatz zum Flughafen und vom Parkhaus zur Wohnung Helen Remingtons gefolgt. Auf diesen Aufnahmen wollte es scheinen, als verbrächte ich den größten Teil meines Lebens im oder um das Auto. Vaughan hatte offensichtlich nur geringes Interesse an mir, ihn interessierte nicht das Verhalten eines vierzigjährigen Produzenten von Werbefilmen, sondern die Beziehungen zwischen einem anonymen Wesen und seinem Auto, die Stellungen seines Körpers auf den polierten Zelluloseflächen und Sitzpolstern, die Silhouette seines Gesichts vor den Armaturen.
    Das Leitmotiv der Fotografien wurde erst deutlich, als sie in die Phase kamen, wo ich mich bereits wieder von meinen Verletzungen erholt hatte: meine vom Automobil und seiner technologischen Landschaft überlagerte Beziehung zu Renata, meiner Frau und Dr. Helen Remington. In diesen unscharfen Fotos hatte Vaughan meine ersten unsicheren Umarmungen eingefroren, als ich meinen zerschundenen Körper zu den ersten sexuellen Aktivitäten nach dem Unfall gezwungen hatte. Er hatte meine Hand fotografiert, die ich über die Schaltung zu meiner Frau hinübergestreckt hatte, der Chromhebel des Ganges drückte gegen meinen Unterarm, meine geschwollene rechte Hand preßte ihren weißen Oberschenkel. Dann meinen immer noch tauben Mund, der Renatas linken Nippel liebkoste, während ich ihre Brüste aus dem Kleid befreite und mein Haar über den Fensterrahmen fiel; Helen Remington saß in ihrem Sportwagen auf mir, ihre Bluse war über die Taille hochgeschoben, während mein Penis in ihre Vulva eindrang, die beleuchteten Skalen des Armaturenbrettes bildeten im Hintergrund eine Reihe verschwommener Ellipsen. Sie erinnerten an Globen, die von unseren erregten Lenden herabsanken.
    Vaughan stand wie ein Lehrer über

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