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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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welcher zum Schrein wurde, der mit dem Blut einer unbedeutenden Opfergabe für sie geweiht worden war. Obwohl ich fast sechs Meter von ihr entfernt neben einem Tontechniker stand, schienen die unvergleichlichen und einzigartigen Konturen ihres Körpers das Auto zu verwandeln. Ihr linker Fuß stand auf dem Boden, sowohl die Türverankerung als auch das Armaturenbrett schienen sich von ihrem Knie wegzubeugen. Es war fast so, als hätte der ganze Wagen sich als Geste der Hommage um ihren Körper deformiert.

    Der Tontechniker machte auf dem Absatz kehrt und streifte meinen Ellbogen mit dem Mikrofonarm. Während er sich noch bei mir entschuldigte, huschte ein uniformierter Kommissionär vorbei. Am anderen Ende der Kreuzung, die eigens hier nachgebaut worden war, hatte ein Wortwechsel begonnen. Der junge amerikanische Produktionsassistent zankte sich mit einem Mann in einer Lederjacke, dem er die Kamera wegnehmen wollte. Ich sah zur Sonnenspiegelung im Teleobjektiv und erkannte Vaughan. Er hatte sich an das Dach eines zweiten Citroen gelehnt, starrte den Produzenten an und wehrte ihn mit einer schorfigen Hand ab. Seagrave saß neben ihm auf der Motorhaube. Sein blondes Haar war auf dem Kopf zu einem Knoten gerafft, über seinen Jeans trug er die Wildlederjacke einer Frau. Unter seinem roten Polohemd bildete ein ausgestopfter Büstenhalter die Umrisse zweier Brüste.
    Seagraves Gesicht war bereits so geschminkt worden, daß es dem der Schauspielerin ähnelte, Make-up verdunkelte seine helle Gesichtshaut. Diese makellose Maske eines Frauengesichts erschien wie eine grausame Parodie auf die Schauspielerin, die weitaus unheilvollem war als das Makeup, das sie derzeit aufgelegt hatte. Ich vermutete, daß Seagrave, der sein blondes Haar unter einer Perücke verbarg, den intakten Citroen in die Kollision mit einem dritten Fahrzeug steuern würde, in dem ein Mannequin ihres Geliebten saß.
    Seagrave, der Vaughan durch seine groteske Maske betrachtete, sah bereits so aus, als wäre er auf obskure Weise bei dem Unfall verletzt worden. Mit dem aufgemalten Frauenmund, den überhellen Augen und dem hellblonden, über dem Kopf hochgesteckten Haar, erinnerte er fatal an einen ältlichen Transvestiten, den man betrunken in seinem Boudoir aufgefunden hatte. Er sah Vaughan mißbilligend an, als hätte jener ihn tagtäglich gezwungen, sich zu dieser Parodie der Filmschauspielerin zu verkleiden.
    Vaughan hatte den Produktionsassistenten und den Aufnahmeleiter beschwichtigen können, ohne seine Kamera abgeben zu müssen. Er gab Seagrave ein kryptisches Signal, sein vernarbter Mund verzerrte sich zu einem Lächeln, dann zog er sich in die Produktionsbüros zurück. Als ich näher kam, winkte er mich zu sich und forderte mich auf, ihn zu begleiten.
    Hinter ihm saß Seagrave, nun von Vaughan vergessen, wie eine irrsinnige Hexe in dem Citroen.
    »Ist mit ihm alles in Ordnung? Sie hätten Seagrave fotografieren sollen.«
    »Das habe ich - selbstverständlich.« Vaughan schlang die Kamera um sich. Mit seiner weißen Lederjacke sah er einem stattlichen Schauspieler ähnlicher als einem wissenschaftlichen Renegaten.
    »Kann er ein Auto fahren?«
    »Solange es sich nur geradeaus bewegen muß.«
    »Vaughan, bringen Sie ihn zu einem Arzt.«
    »Das würde alles verderben. Außerdem habe ich keine Zeit dafür. Helen Remington kümmert sich um ihn.« Vaughan kehrte der Szene den Rücken zu. »Sie nimmt die Stelle beim Straßenforschungslabor an. Dort ist einmal die Woche ein Tag der offenen Tür. Wir werden alle gemeinsam hingehen.«
    »Auf diese Art Unterhaltung kann ich getrost verzichten.«
    »Nein, Ballard - gewiß wird es Ihnen dort gefallen. Es ist ein wichtiger Teil der Fernsehserie.«
    Er entfernte sich zu den Parkplätzen.

    Diese Verwirrung von Realität und Fiktion, summiert in der pathetischen, und doch wieder unheilvollen Gestalt des als Schauspielerin verkleideten Seagrave, ließ mich den ganzen Nachmittag nicht mehr los. Sie überlagerte sogar meine Reaktionen auf Catherine, die mich vom Studio abholte.
    Sie unterhielt sich freundlich mit Renata, war aber bald mit den Farbbildern an der Wand beschäftigt, Ausschnittvergrößerungen von Sportwagen und Luxuslimousinen, die wir für den Werbefilm benötigten. Diese emblemartigen Porträts von Kofferraumtüren und Kühlem, Armaturenbrettern und Windschutzscheiben, die in leuchtenden Akryl- und zarten Pastellfarbtönen gehalten waren, schienen sie zu faszinieren. Ihre humorvolle Tolerierung

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