Crash
Kabelrollen an den Schienen. Es folgte eine gewaltige metallische Explosion, als das Motorrad frontal mit dem Automobil zusammenprallte. Die beiden Fahrzeuge schmierten seitlich in Richtung der verblüfften Zuschauer ab. Ich gewann mein Gleichgewicht wieder, indem ich mich unwillkürlich an Vaughans Schulter festhielt, während das Motorrad und der Fahrer über die Motorhaube des Autos geschleudert wurden und gegen die Windschutzscheibe prallten, worauf sie in einem Scherbenregen weiter über das Dach flogen. Der Wagen rutschte drei Meter auf den Trossen weiter. Er kam am Rand der Schiene zum Stillstand. Motorhaube, Windschutzscheibe und Dach waren von dem Aufprall in Mitleidenschaft gezogen worden. Im Wageninnern war die Familie durcheinandergeschleudert worden, der Oberkörper der Mutter auf dem Beifahrersitz war in den Rahmen der zersplitterten Windschutzscheibe eingebettet.
Die Ingenieure winkten der Menge beruhigend zu und näherten sich dem Motorrad, das fünfzig Meter hinter dem Wagen auf der Seite lag. Sie sammelten dabei auch gleich die Körperteile des Fahrers auf, wobei sie abgetrennte Arme und Beine unter die Arme klemmten. Fiberglassplitterchen von seinem Gesicht und Oberkörper überzogen das Glas des Testwagens wie Todeskonfetti.
Wieder wandte sich der Lautsprecher an die Menge. Ich bemühte mich, den Ausführungen des Kommentators zu folgen, doch mein Gehirn war außerstande, die Worte zu verarbeiten. Der häßliche und gewaltsame Zusammenstoß dieses Unfalls, das Bersten von Metall und Verbundglas und die vorsätzliche Zerstörung aufwendiger technologischer Güter hielten meinen Verstand im Bann.
Helen Remington hielt meinen Arm. Sie lächelte und nickte mir ermutigend zu, als wolle sie einem Kind über einen geistigen Schmerz hinweghelfen. »Wir können es uns am Teststand noch einmal ansehen. Dort zeigen sie Zeitlupenaufnahmen.
Die Zuschauer kamen auf die Versuchstische zu, die Stimmen schnatterten wieder erleichtert. Ich wartete auf Vaughan. Er stand zwischen den verlassenen Stuhlreihen, sein Blick war immer noch auf das Autowrack geheftet. Unter dem Gürtel verdunkelte Samen den Schritt seiner Ho se.
Ohne auf Helen Remington zu achten, die sich sanft lächelnd von uns entfernte, starrte ich Vaughan an und war unsicher, was ich zu ihm sagen sollte. Mit der Konjunktion des zerschellten Wagens, den wesenlosen Puppen und Vaughans entblößter Sexualität konfrontiert, bewegte ich mich durch ein Terrain, dessen Konturen direkt auf einen verschwommenen Sektor meines Verstandes wiesen. Ich stand hinter Vaughan und betrachtete seinen muskulösen
Rücken, das Spiel der kräftigen Schultern unter der Lederjacke.
Neben der Ampexmaschine beobachteten die Besucher nochmals den Motorradfahrer, der mit dem Auto kollidierte. Einzelne Phasen des Zusammenpralls wurden in Zeitlupe vorgeführt. Mit traumhafter Langsamkeit und Ruhe traf der Vorderreifen des Motorrades auf die Stoßstange des Autos. Als der Rahmen brach, schnellte der Reifen einwärts und bildete die Form einer Acht. Das Hinterteil der Maschine wurde in die Luft geworfen. Die Puppe, Elvis, wurde vom Sitz emporgeschleudert, sein plumper Körper wurde nun endlich von der Anmut der Zeitlupe gesegnet. Er stand wie der brillanteste Stuntman auf den Pedalen und hatte Arme und Beine voll ausgestreckt. Kopf und Kinn hatte er in einer Geste fast aristokratischer Würde emporgehoben. Der Hinterreifen des Motorrades hob sich in die Luft und schien einen Augenblick gegen seinen Rücken geschleudert zu werden, doch der Fahrer löste mit großem Geschick die Füße von den Pedalen und nahm eine fast horizontale Position ein. Seine Hände waren immer noch an den Lenkstangen befestigt, die sich nun, als das Motorrad sich überschlug, von ihm wegbewegten. Die Meßspulen trennten ein Handgelenk ab, worauf er sich selbst in eine horizontale Schrägposi tion schleuderte und den Kopf wie ein Geschoß der heranbrausenden Windschutzscheibe zuwandte. Die Brust prallte auf die Motorhaube, wo sie wie ein Surfbrett weiterglitt und Lack aufkratzte.
Während das Fahrzeug von der Wucht des Aufpralls zurückgeschleudert wurde, bewegten sich die vier Insassen bereits ihrer zweiten Kollision entgegen. Die ausdruckslosen Gesichter preßten sich gegen die Windschutzscheibe, als wäre jeder einzelne begierig zu sehen, wie die Brust des Motorradfahrers den Lack der Motorhaube abschürfte. Fahrer und Beifahrerin bewegten sich nach vorne auf die Windschutzscheibe zu und trafen
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