Crash
mit den gesenkten Köpfen im selben Augenblick auf, als der Motorradfahrer im Profil gegen das Glas geschleudert wurde. Eine Fontäne von Gla ssplittern stob um sie herum in die Höhe, hinter der die Gestalten, wie zur Feier des Augenblicks, immer exzentrischere Positionen einnahmen. Der Motorradfahrer setzte seine horizontale Bahn ins Wageninnere fort, sein Gesicht wurde vom zentral montierten Rückspiegel weggerissen. Der linke Arm wurde am Ellbogen abgetrennt, als er mit der Fensterverstrebung zusammenstieß. Er wurde mit dem Splitterregen mitgerissen, der dem Körper des Motorradfahrers etwa fünfzig Zentimeter über dem Rückgrat folgte. Der rechte Arm bewegte sich durch die geborstene Windschutzscheibe und verlor zuerst ein noch anhaftendes Stück der Hand an der Guillotine des Scheibenwischers, dann den Unterarm, der am Gesicht der Beifahrerin hängenblieb und ihren rechten Wangenknochen abriß. Der Körper des Motorradfahrers kippte nun in einem eleganten Slalom seitlich weg, seine Hüften stießen gegen die rechte Fensterverstrebung und beulten sie in der Mitte aus. Seine Beine rotierten um den Wagen, die Schienbeine prallten gegen die zentrale Türverankerung.
Über ihm fiel das Motorrad aufs Dach des Wagens. Die Lenkstange stieß durch die ausgebrochene Windschutzscheibe und köpfte den Beifahrer. Vorderrad und die verchromte Gabel stießen durch das Dach, die zerspringende Kette trennte den Kopf des Motorradfahrers im Innern ab. Teile seines zerstückelten Körpers prallten vom hinteren Radgehäuse zurück und sanken in einem Wirbel aus Splittern zu Boden. Sicherheitsglas fiel wie Eis von dem Auto herunter, als wäre dieses nach einer langen Zeit des Kälteschlafs aufgetaut worden. Inzwischen war der Fahrer von der brechenden Lenksäule zurückgeschleudert worden und glitt in eine tiefere Region des Autos. Seine geköpfte Frau, die die Hände hübsch vor dem Hals gekreuzt hatte, rollte gegen das Armaturenbrett. Ihr abgetrennter Kopf prallte an den Vinylpolstern der Sitze ab und wurde von dort zwischen den Körpern der Kinder hindurch weiter nach hinten geschleudert. Brigitte, das kleinere der beiden Kinder, wandte das Gesicht zum Dach des Autos und hob beide Hände zu einer aufgeschreckten Geste, während der Kopf der Mutter auf der Heckscheibe auftraf und wieder ins Wageninnere zurückgeschleudert wurde, bevor er zum linken Seitenfenster hinausschoß.
Der Wagen kam langsam zum Stillstand, wobei er sich aber gemächlich vom Boden löste. Die vier Fahrzeuginsassen sanken wieder in die Kabine zurück, ihre gestikulierenden Gliedmaßen, die noch eine Enzyklopädie entfesselter Bewegungen durchliefen, nahmen langsam wieder grob menschliche Positionen ein. Um sie herum explodierte eine letzte Fontäne von Glassplittern.
Das aus zwanzig bis dreißig Zuschauern bestehende Publikum starrte den Bildschirm an und wartete darauf, daß etwas geschah. Während wir selbst zusahen, konnten wir im Hintergrund unsere geisterhaften Ebenbilder erkennen, deren Arme und Hände sich während der Kollision nicht bewegten. Dieser traumähnliche Rollentausch ließ uns noch weniger real als die Puppen erscheinen. Ich betrachtete die in Seide gehüllte Frau eines Ministeriumsangestellten, die neben mir stand. Ihre Augen betrachteten den Bildschirm mit entsetzten Blicken, als würde sie sich selbst und ihre Kinder bei dem Unfall ums Leben kommen sehen.
Die Besucher entfernten sich der Reihe nach zum Teezelt. Ich folgte Vaughan zu dem Unfallwagen. Er ging zwischen den Stuhlreihen durch und spuckte einen Kaugummi ins Gras. Ich wußte, daß ihn der Unfall und der anschließende Zeitlupenfilm viel mehr mitgenommen hatten als mich. Helen Remington, die einsam und verlassen inmitten der Stühle saß, beobachtete uns. Vaughan starrte auf den arg mitgenommenen Wagen hinab, als wollte er ihn umarmen. Seine Hände glitten am eingedrückten Blech von Motorhaube und Dach entlang, seine Gesichtsmuskeln arbeiteten heftig. Er beugte sich hinab und blickte ins Innere, wo er jede Puppe eingehend untersuchte. Während ich darauf wartete, daß er etwas zu ihnen sagte, betrachtete ich zunächst das verbeulte und verbogene Chrom, dann die Spalte zwischen Vaughans strammen Gesäßbacken. Die Zerstörung des Automobils und seiner Insassen schien den sexuellen Stimulus von Vaughans Körper noch zu unterstreichen, beide waren von allen Gefühlen abstrahierte konzeptualisierte Akte, die vielerlei Arten von Emotionen beinhalten konnten, mit denen wir
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