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Crash

Crash

Titel: Crash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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gelegt. Die Farben ihres Gesichts und ihrer Arme enthüllten sich in ihrer leuchtendsten Klarheit, als wäre jede Blutzelle und jedes Pigmentgranulat zum ersten Mal real und von der Bewegung des Automobils zum Leben erweckt. Die Haut ihrer Wangen, die Verkehrslichter und Hinweisschilder, die uns zur Schnellstraße leiteten, auch die auf den Dächern der Supermärkte geparkten Wagen, waren geklärt und klar umrissen, als wäre erstmalig ein Schleier entfernt worden, der alles enthüllt hatte wie die Beschaffenheit einer lunaren Oberfläche, ein von einem Abbruchkommando arrangiertes Stilleben.
    Wir fuhren auf der Schnellstraße nach Süden.
    »Der Verkehr… wo sind die Leute nur alle?« Mir fiel auf, daß drei Spuren fast unbefahren waren. »Wohin sind sie alle verschwunden?«

    »Ich würde gerne umkehren - James!«
    »Noch nicht… das ist doch erst der Anfang…«
    Ich stellte mir das Bild einer verlassenen Stadt vor, deren sinnentleerte Technologie sich selbst überlassen blieb. Derweil fuhren wir dieselbe Straße entlang, auf der Vaughan erst vor wenigen Tagen versucht hatte, mich zu töten. Die abgestellten Wagen auf dem Schrottplatz hinter der Palisade gleißten im Sonnenlicht. Ich fuhr über den vernarbten Betonbelag auf die dunkle Höhle der Überführung zu, wo Vaughan und ich uns zwischen Betonpfeilern umarmt hatten, während wir dem Dröhnen des Verkehrs über uns gelauscht hatten. Catherine sah zur kathedralenähnlichen Empore der Überführung hinauf, die wie die Kammer einer unterirdischen Höhle wirkte. Ich parkte den Wagen und wandte mich zu ihr. Ohne nachzudenken nahm ich die Stellung ein, in der ich Vaughan sodomiert hatte. Ich sah auf meine Schenkel hinab und stellte mir dabei Vaughans Gesäßbacken vor, die ich gegen meine Hüften gepreßt hatte, sowie die glitschige Beschaffenheit seines Anus. Durch ein Paradoxon war dieser Geschlechtsakt zwischen uns von jeglicher Sexualität entleert gewesen.
    Wir fuhren den ganzen Nachmittag über die Schnellstraßen. Die endlosen Fahrbahnen, auf denen wir uns bewegten, enthielten die Gleichungen unsagbarer sexueller Wonnen. Ich betrachtete die Autos, die von der Überführung herabkamen. Jedes trug ein Stück von der Sonne auf dem Dach.
    »Suchst du nach Vaughan?« fragte Catherine. »In gewisser Weise.«
    »Du hast keine Angst mehr vor ihm.«
    »Du?«
    »Er wird sich selbst umbringen.«
    »Das wußte ich nach Seagraves Tod.«
    Ich beobachtete sie, während sie den Verkehr kontrollierte, der auf uns zukam, während wir auf einer Seitenstraße unterhalb der Überführung der Western Avenue warteten. Ich wollte, daß Vaughan sie sah. Wenn ich an die lange Schramme in Catherines Wagen dachte, wollte ich sie vor ihm entblößen und ihn so ermutigen, sie noch einmal zu nehmen.
    In einer Tankstelle sahen wir Vera Seagrave, die sich mit dem Mädchen an der Zapfsäule unterhielt. Ich bog in den Hof ein. Veras Körper mit den kräftigen Hüften, den schweren Brüsten und den straffen Gesäßbacken, war in eine schwere Lederjacke gekleidet, als wollte sie zu einer Antarktisexpedition aufbrechen.
    Zunächst erkannte sie mich nicht. Ihr harter Blick glitt über mich hinweg zu Catherine. Der Anblick ihrer übereinandergeschlagenen Beine im offenen Cockpit des Sportwagens, dessen Äußeres von Narben verunstaltet war, schien sie argwöhnisch zu machen.
    »Wollen Sie gehen?« Ich deutete auf den Koffer auf dem
    Rücksitz ihres Wagens. »Ich suche Vaughan.«
    Vera beendete die Unterhaltung mit dem Mädchen, in der es um einen Reiseschutz für ihren kleinen Sohn gegangen war. Sie stieg in ihr Auto ein, ließ dabei aber keinen Blick von Catherine.
    »Der folgt seiner Filmschauspielerin. Die Polizei ist hinter ihm her - ein amerikanischer Geschäftsmann wurde auf der Überführung bei Northolt getötet.«
    Ich legte die Hand auf die Windschutzscheibe, doch sie schaltete die Scheibenwischer ein und hätte mir damit fast einen Schnitt in die Knöchel meines Handgelenks verpaßt.
    Alles erklärend, sagte sie : »Ich war bei ihm im Auto.«
    Bevor ich sie aufhalten konnte, hatte sie die Tankstelle verlassen und sich in den raschen Abendverkehr eingefädelt.

    Am nächsten Morgen rief mich Catherine vom Büro an und sagte mir, daß Vaughan ihr bis zum Flughafen gefolgt war. Während sie mit ruhiger Stimme sprach, trug ich das Telefon zum Fenster. Ich betrachtete die fahrenden Autos auf den Straßen, und mein Penis wurde steif. Irgendwo dort unten, unter Tausenden von Fahrzeugen,

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