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Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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und war die gute Tochter. Meine Mutter dagegen, mit ihren ausgeflippten Klamotten und ihrem ungestümen Lebenswandel, fiel endgültig in Ungnade, als sie mit zwanzig schwanger wurde, Knall auf Fall vom College abging und mich zur Welt brachte. Wir zogen so oft um, dass ihre Familie kaum noch wusste, wo wir wohnten, geschweige denn, wer wir waren. Unsere seltenen Besuch bei Mira endeten fast immer in einem Riesenkrach: Meine Mutter und Mira redeten über früher, hatten unterschiedliche Erinnerungen an Ereignisse aus ihrer gemeinsamen Kindheit und kriegten sich deshalb total in die Haare. Das letzte Mal hatte ich Mira auf der Beerdigung meiner Großmutter in Cincinnati gesehen. Damals war ich zehn oder so. Wir blieben gerade mal so lange, bis klar war, dass sie alles erbte; kurze Zeit später zog sie nach Colby.
    Nachdem ich zwei Doughnuts gegessen hatte, fiel mir auf, dass sich meine gerade abgeschüttelten zwanzig Kilo in diesen Sommerferien leicht wieder anschleichen konnten, wenn ich nicht aufpasste und mich mit »leeren Kalorien«, wie meine Mutter zu sagen pflegte, voll stopfte. Ich joggte eine Stunde am Strand entlang, während die Musik aus meinem Walkman mir ins Ohr hämmerte.
    Als ich zurückkehrte, arbeitete Mira in ihrem Atelier, einem großen unaufgeräumten Zimmer neben der Küche. Sie trug einen gelben Overall und ihre blauen Omapantoffeln. Ihr Haar war wieder zu einem Vogelnestartigen |46| Dutt aufgetürmt, in dem auf abenteuerliche Weise ungefähr sieben Filzschreiber steckten, mit und ohne Verschlusskappe.
    »Möchtest du meine neueste Todeskarte sehen?« Ihre Stimme klang wie immer megamunter. »Ich arbeite schon die ganze Woche an dem Entwurf.«
    »Todeskarte?«
    »Die offizielle Bezeichnung ist Kondolenzkarte.« Sie wippte mit ihrem Schreibtischstuhl, der auf der höchsten Stufe eingestellt war. »Trotzdem, es geht um den Tod, da nützt der schönste Name nichts.«
    Ich nahm die zwei Blätter dicken Zeichenpapiers entgegen, die sie mir hinhielt. Auf dem ersten waren mit Pastellfarben ein paar Blumen gezeichnet und darüber stand:
     
    Herzliches Beileid . . .
     
    Und auf dem zweiten Blatt, der zukünftigen Innenseite der Karte:
     
    Es ist immer schlimm, jemanden zu verlieren, aber jemanden zu verlieren, den man einmal geliebt hat, ist das Allerschlimmste. Egal aus welchem Grund ihr euch damals getrennt habt – ihr habt euch wahrhaft geliebt. Mein Herz und meine Gedanken sind bei dir in dieser schweren Zeit.
     
    »Findest du das zu dick aufgetragen?« Am unteren Rand der Seite stand »Miras Wunderkarten«, mit einem winzigen roten Herzen anstelle des i-Tüpfelchens.
    »Äh . . . nein. Ich habe nur noch nie eine Karte gesehen, die so – so speziell auf jemanden zugeschnitten war.« |47| »So was ist der letzte Schrei.« Sie zog einen Filzschreiber aus ihrem Haar. »Spezielle Kondolenzkarten für jeden Anlass. Tote Ex-Ehemänner, tote Chefs, tote Briefträger . . .«
    Ich starrte sie ungläubig an.
    »Ist mein Ernst!« Sie schwang ihren Stuhl herum und griff nach einer Schachtel, die hinter ihr im Regal stand. »Hör dir das an!« Sie zog eine Karte hervor und räusperte sich: »Vorne drauf steht
Er war wie ein Freund für mich . . .
Und wenn du sie aufschlägst, liest du:
Manchmal ist ein simpler Service viel mehr als bloße Routi
ne
, nämlich dann, wenn er mit Herz, Witz, Sorgfalt und persönlichem Einsatz ausgeführt wird. Er war wie ein Freund für mich und ich werde seine täglichen Besuche sehr vermissen.«
Sie grinste mich an. »Verstehst du jetzt, was ich meine?«
    »Und so was schickt man seinem Briefträger?«
    »Der
Witwe
des Briefträgers.« Sie stopfte die Karte wieder in die Schachtel. »Ich habe welche für jede Gelegenheit entworfen und für jeden Beruf. Ich komme gar nicht darum herum. Heutzutage führen die Menschen sehr spezialisierte Leben. Da müssen die Karten eben mitziehen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich der Witwe unseres Briefträgers eine Karte schicken würde.«
    »Du vielleicht nicht«, antwortete sie ernst. »Aber ich vermute, du bist sowieso kein Kartenmensch. Andere Menschen dagegen verschicken dauernd irgendwelche Karten. Und an denen verdiene ich mein Geld.«
    Ich betrachtete die Regale an der Wand, in denen unzählige Schachteln mit Karten standen. »Hast du die alle selbst entworfen?«
    |48| »Ja. Seit ich die Kunstschule abgeschlossen habe, zeichne ich jede Woche zwei oder drei Stück.« Mit großer Geste wies sie auf ihr Werk. »Einige von denen sind vor mehr

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