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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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konnte sich denken, was als Nächstes kommen würde, aber es gehörte zu Amelias Buße, es einzugestehen. Die ältere Frau putzte sich die Nase und schniefte laut.
    »Ich nahm ein anderes Handtuch, ein sauberes, und tauschte es gegen das erste aus, in das ich Sie gewickelt hatte. Dann habe ich Sie auf eine Decke gelegt. Lulu rief nach mir. Ich habe überhaupt nicht nachgedacht. Es war, als ob eine Stimme von anderswo mir Anweisungen gab. Ich hab das tote Baby ausgezogen. Meine Hände und meine Schürze waren noch immer voll mit angetrocknetem Blut. Ich hab das Haar der Kleinen angefeuchtet und sie in das blutige Handtuch gewickelt. Sie war erst einen Tag alt und sah noch fast wie neugeboren aus. Ich hab meine Hände nass gemacht und dem Baby etwas von dem Blut ins Gesicht geschmiert. Dann hab ich es nach oben getragen und bin in der Tür stehen geblieben.
    Ich bin einfach da stehen geblieben, und Lulu hat mich mit einer furchtbaren Angst in den Augen angeblickt. Ich habe nichts gesagt, und sie auch nicht. Sie hat bloß auf das blutige Bündel in meinen Armen gestarrt, dann hat sie einen grauenhaften Schrei ausgestoßen. Es war entsetzlich, als würde ein Tier heulen. Ich hab ihr das Baby gegeben, und sie hat es sich an die Brust gedrückt. Und die ganze Zeit dieses schreckliche Schluchzen. Sie saß da und schaukelte hin und her. Niemals, bis heute nicht, habe ich jemanden so weinen sehen.
    Aber selbst dann habe ich geschwiegen. Verstehen Sie, ich war sicher, dass ich das Beste tat. Ich habe versucht, ihr das tote Baby wegzunehmen. Es wurde bereits steif, und ich wollte nicht, dass sie was merkt, aber sie hielt es weiter fest umklammert. Also musste ich mich um die Nachgeburt kümmern, Lulu sauber machen, alles Notwendige erledigen, und die ganze Zeit hörte ich dieses schreckliche Gejammer.«
    Nightingale konnte sich nicht mehr beherrschen.
    »Sie hat um ihr Kind getrauert! Meinen Sie nicht, sie hatte das Recht zu weinen?«
    Für Nightingale bestand kein Zweifel daran, dass Amelia Lulu gehasst hatte, auch wenn sie so getan hatte, als wäre sie ihre Freundin. Amelias Eifersucht, angefacht von der Zuneigung, die ihr Vater für Lulu empfand, hatte ihre Gedanken so vergiftet, dass sie imstande gewesen war, eine abscheuliche und boshafte Tat unter dem Deckmantel vermeintlicher Hilfsbereitschaft und Weitsicht zu verschleiern.
    Durch das Vertauschen der Babys hatte sie eine geniale Rache an all denen geübt, die sie am meisten verabscheute: Lulu nahm sie das Kind ihrer Liebe, und Mary legte sie ein Kuckucksei ins Nest. Nightingales Zorn wurde durch ihre eigene Trauer gebremst, doch nur ihre wilde Entschlossenheit, sich auch noch das Schlusskapitel anzuhören, hinderte sie daran loszuschreien.
    »Sobald Lulu eingeschlafen war, mit dem Baby noch immer im Arm, wickelte ich Sie in die Decke ein, in der Ihr Vater Diane zu mir gebracht hatte, und machte mich auf den Weg zur Mill Farm. Ich musste vor dem Frühstück dort sein, damit Sie gewaschen, neu eingekleidet und zu Simon ins Bettchen gelegt werden konnten. Sie waren so still und lieb, als wollten Sie mit mir gemeinsame Sache machen …«
    Amalia merkte nicht, das Nightingale nach Luft schnappen musste, und sprach ungerührt weiter.
    »… Eigentlich hatte ich gedacht, dass Ihr Vater wach wäre, wo er doch nur wenige Stunden zuvor Entsetzliches erlebt hatte, aber ich musste laut klopfen, um ihn aufzuwecken. Als er das Baby sah, war er zornig, weil er dachte, ich hätte Diane zurückgebracht, aber dann weinten Sie zum ersten Mal, und er wäre beinahe zusammengebrochen.
    Ich habe ihm erklärt, was passiert war, was ich getan hatte. Zuerst fand er die Idee unmöglich. Er sagte, seine Frau würde den Unterschied ganz bestimmt merken, aber Sie haben immer weiter geweint, und da hat er Sie zum ersten Mal richtig angesehen. Und in dem Augenblick wusste ich, dass er Sie nie wieder hergeben würde. Die Liebe auf seinem Gesicht … ich habe sofort gesehen, dass ich das Richtige getan hatte.«
    Nightingale schluckte den Stein in ihrer Kehle hinunter und kämpfte die Tränen nieder. Sie würde nicht vor diesem Scheusal zusammenbrechen, das mit dem Leben so vieler Menschen Gott gespielt und sich dabei noch als gute Freundin ausgegeben hatte.
    »Er hat Sie gefüttert, gebadet und angezogen, und ich hab ihm dabei zugeschaut. Nie habe ich mich ihm näher gefühlt, und ich wusste, dass es ihm genauso ging. Zwischen uns entstand ein Band für die Ewigkeit.«
    Nightingale schnaubte, und Amelia

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