Crescendo
Lippen sein Ohr streiften. Er streckte den Arm aus, packte sie am Nacken und zog sie aufs Bett. Er küsste sie so fest auf den Mund, dass sich der rote Lippenstift wie eine offene Wunde auf ihrer Wange verschmierte.
»Komm nicht zu spät wieder«, wies er sie an.
»Bist du dann noch da?« Er sah Hoffnung in ihren Augen und genoss das kurze Gefühl von Macht.
»Vielleicht.«
Er küsste sie wieder und spürte ihre leidenschaftliche Reaktion. Sie mochte es, wenn er sie unsanft anfasste, bis zu einem gewissen Punkt. Er ging stets über diesen Punkt hinaus, damit er sehen konnte, wie sich die Lust in ihren Augen in Furcht verwandelte. Irgendwann würde er bis zum Schluss gehen. Das würde phantastisch werden. Etwas von seinem Verlangen musste sich in seinem Gesicht widerspiegeln, denn Wendy presste ihre Hand gegen ihn, auffordernd, aber er wollte sie nicht so schnell und so leicht.
»Geh jetzt. Und sieh nach, ob ich was im Postfach habe.«
Iain würde erst später ins Büro kommen, sagte man ihm, als er in der Firma anrief. Er verließ die Wohnung, um irgendwo zu frühstücken.
Wendy wartete um die Ecke, bis sie Dave in Richtung Stadt verschwinden sah. Ihre Schicht im Krankenhaus fing erst in zwei Stunden an, aber das wusste er nicht. Sobald er außer Sicht war, lief sie zurück in die Wohnung. Das Herz hämmerte ihr schmerzhaft gegen die Rippen, und ihr zitterten die Hände, als sie den Schlüssel aus der Tampax-Packung 248
nahm, wo sie ihn versteckt hatte. Wenn er dahinterkam, dass sie einen Zweitschlüssel hatte, würde er sie umbringen. Seit Wayne ins Gefängnis gekommen und Dave auf Reisen gegangen war, hatte er ungenutzt in ihrem Badezimmerschrank gelegen. Bis die arme Frau am Wochenende umgebracht worden war.
Sie gab leise, wimmernde Laute von sich, als sie den PC
einschaltete, entsetzt über das Risiko, das sie einging, aber sie musste es wissen. Seit Waynes Verhaftung wurde sie von Zweifeln geplagt. War Dave beteiligt gewesen? Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Wayne auf eigene Faust gehandelt hatte, aber genauso wenig konnte sie sich damit abfinden, dass Dave in die Verbrechen verwickelt war.
Lucinda Hamilton. Dave war an dem Wochenende, an dem sie starb, in London gewesen. Die Hochstimmung, in der er gewesen war, als sie sich mit ihm in Shropshire getroffen hatte, und die Art, wie er sie auf dem Parkplatz zum Sex gezwungen hatte – genauso war er immer gewesen, wenn er von seinen Spritztouren mit Wayne zurückkam. Sie musste einfach wissen, ob ihre Befürchtungen zutrafen. Sie wusste selbst nicht, warum sie das ausgerechnet tat, während er in der Stadt war, aber sie wollte sich nicht noch eine schlaflose Nacht oder einen Tag ohne Appetit zumuten. Sie wollte ihren Verdacht ein für allemal ausräumen, nur deshalb spionier-te sie in seinem Computer. Während der PC hochfuhr, fiel ihr ein, dass sie ja Gummihandschuhe gekauft hatte, und sie ging sie holen.
Nach einem Schinkensandwich kaufte er sich eine Zeitung und ging damit in ein Café, wo es seiner Meinung nach den besten Kaffee in ganz Birmingham gab. Eine hübsche Studentin, höchstens neunzehn, kam herein, und da kein Tisch 249
mehr frei war, fragte sie ihn, ob sie sich dazusetzen könne. Sie hatte lange Beine, schöne Haut und Augen so braun wie Kaffeebohnen. Ab und zu blickte sie kurz zu ihm hoch, dann rasch wieder weg. Ein ziemlich typisches Verhalten. Frauen fanden ihn attraktiv.
Er spielte mit dem Gedanken, sie anzusprechen und mit ihr irgendwo hinzugehen, wo er sich richtig mit ihr verlustie-ren könnte, aber sein geübtes Auge sagte ihm, dass sie wahrscheinlich im Studentenheim wohnte. Außerdem frönte er seinen Interessen nicht mehr so nahe bei sich zu Hause, seit die Polizei ihn fast geschnappt hätte. Während der Kaffee abkühlte und er die Zeitung las, wurde die Vorstellung, sie zu nehmen, jedoch immer reizvoller, und er malte es sich in allen Einzelheiten aus. Als sie sah, dass er sie anlächelte, lä-
chelte sie ebenfalls, und er war drauf und dran, es sich doch anders zu überlegen. Sie forderte ihn ja geradezu auf, und er spürte, dass sie gut sein würde. Sie würde sich wehren. Und er musste ohnehin bald wieder zuschlagen, sonst würde die Polizei noch denken, der Mord an Lucinda wäre ein Einzel-fall, was Griffiths’ Berufung gefährden könnte. Vielleicht konnte er dieses eine Mal das Risiko eingehen. Er beugte sich vor.
»Beverly! Da bist du ja. Ich such dich schon überall.« Eine pummelige junge Frau
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