Crisis
Medizinstudenten weit verbreiteter Trick, wenn sie verbergen wollen, dass sie sich nicht vorbereitet haben. Später habe ich nachgesehen, und die Angaben waren vollkommen richtig.«
»Also bekam Dr. Bowman eine gute Note für das Praktikum.«
»Er bekam ein A.«
»Und trotzdem haben Sie vorhin Ihre Aussage bezüglich seiner ›hervorragenden‹ Leistungen mit ›im Allgemeinen‹ eingeschränkt.«
»Ja, das habe ich.«
»Können Sie uns sagen warum?«
»Das hat mit einem Gefühl zu tun, welches mich die ganze Zeit über nicht losließ und das mich erneut beschlich, als ich Dr. Bowman während seiner Zeit als Assistenzarzt im Boston Memorial Hospital beaufsichtigte.«
»Und was war das für ein Gefühl?«
»Ich hatte das Gefühl, dass seine Persönlichkeit …«
»Einspruch!«, rief Randolph. »Der Zeuge ist weder Psychiater noch Psychologe.«
»Abgewiesen«, sagte Richter Davidson. »Als Arzt ist der Zeuge mit diesen Fachgebieten in Berührung gekommen.
Wie weit seine Kompetenz reicht, können Sie im Kreuzverhör in Frage stellen. Der Zeuge kann fortfahren.«
»Ich hatte das Gefühl, dass Dr. Bowmans Drang nach Erfolg und die Tatsache, dass er unseren damaligen leitenden Assistenzarzt geradezu als einen Helden verehrte, ihn dazu brachten, Patienten als ein Mittel zum Wettbewerb zu betrachten. Er wählte bewusst die schwierigsten Fälle aus, so dass seine Falldarstellungen in intellektueller Hinsicht stets die interessantesten waren und das größte Lob einheimsten.«
»Mit anderen Worten, Sie hatten den Eindruck, dass Dr. Bowman die Patienten als ein Mittel für seine Karriere betrachtete?«
»Im Wesentlichen ja.«
»Und diese Haltung entspricht nicht der herrschenden Auffassung von ärztlicher Berufsethik?«
»Das ist korrekt.«
»Danke, Doktor«, sagte Tony. Er machte eine Pause, ließ seinen Blick über die Geschworenen gleiten, wobei er nacheinander mit jedem von ihnen Augenkontakt herstellte, und gab ihnen genug Zeit, das Gesagte zu verinnerlichen.
Jack beugte sich zu Alexis hinüber und flüsterte: »Jetzt verstehe ich, was du neulich über Tony Fasano gesagt hast. Der Typ ist gut. Jetzt bringt er neben der Concierge-Medizin auch noch das Medizinstudium mit dem ihm eigenen Konkurrenzdenken vor Gericht.«
»Es beunruhigt mich, dass er Craigs Erfolge in einen Nachteil verwandelt, weil er ahnt, dass Randolph genau das Gegenteil versuchen wird.«
Als Tony seine Befragung wieder aufnahm, stürzte er sich mit Feuereifer auf den Fall Patience Stanhope. Innerhalb kürzester Zeit brachte er Dr. Brown dazu, auszusagen, wie wichtig es sei, mit der Behandlung eines Herzinfarktpatienten unbedingt so schnell wie möglich zu beginnen, und dass er nach Durchsicht der Krankenberichte der Ansicht sei, dass Patience’ Überlebenschancen auf Grund der verspäteten Diagnose deutlich gesunken seien.
»Nur noch ein paar letzte Fragen, Dr. Brown«, sagte Tony. »Kennen Sie Dr. William Tardoff?«
»Ja.«
»Wissen Sie, dass er an der Boston University studiert hat?«
»Ja.«
»Und kennen Sie auch Dr. Noelle Everette und wissen, dass sie an der Tufts University studiert hat?«
»Ja, beides.«
»Überrascht es Sie, dass drei Sachverständige für Kardiologie von den drei renommierten medizinischen Fakultäten unserer Region darin übereinstimmen, dass Dr. Craig Bowman im Hinblick auf Patience Stanhope den Anforderungen an eine korrekte Behandlung nicht gerecht geworden ist?«
»Nein, das überrascht mich nicht. Es zeigt lediglich, dass über die Notwendigkeit, einen Herzinfarktpatienten so schnell wie möglich zu behandeln, Einigkeit herrscht.«
»Danke, Dr. Brown. Keine weiteren Fragen.« Tony nahm seine Unterlagen vom Rednerpult und ging zurück an den Tisch des Klägers. Sein Assistent und Jordan klopften ihm anerkennend auf den Arm.
Randolph richtete sich langsam zu seiner vollen Größe auf und trat ans Rednerpult. Er zog sein Jackett zurecht und stellte einen seiner schweren, mit dicken Sohlen versehenen Wingtips auf den Fußlauf.
»Dr. Brown«, setzte Randolph an, »ich stimme Ihnen zu, dass bezüglich der Notwendigkeit, einen Herzinfarktpatienten so schnell wie möglich in einem entsprechend ausgestatteten Krankenhaus zu behandeln, Einigkeit herrscht. Aber das ist in dieser Verhandlung nicht die entscheidende Frage. Die Frage ist, ob Dr. Bowman den allgemeinen Maßstäben, die an eine ärztliche Behandlung angelegt werden, gerecht geworden ist oder nicht.«
»Indem er darauf bestand, zum Haus der
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