Crisis
und distanziert wirkte er freundlich und liebenswürdig: die Art von Mensch, der einen Umweg machen würde, um einen kleinen aus dem Nest gefallenen Vogel zurückzulegen. Sein Haar war großväterlich weiß und gepflegt, seine Haltung aufrecht. Seine Kleidung war ordentlich, aber nicht zu elegant und wirkte bequem und gemütlich. Er trug eine Fliege mit Paisley-Muster. Er verstrahlte sogar einen Hauch von unangemessener Bescheidenheit, als Tony sich alle Mühe geben musste, ihn dazu zu bringen, widerstrebend seine Auszeichnungen und Leistungen einzugestehen.
»Warum sagt dieser Medizintitan in einem Behandlungsfehlerprozess für den Kläger aus?«, flüsterte Jack Alexis zu, aber es war eher eine rhetorische Frage, und er erwartete keine Antwort. Ihm kam der Gedanke, dass der Grund vielleicht etwas mit Noelle Everettes unerwarteter Bemerkung über Concierge-Medizin zu tun hatte: »Einige von uns altmodischen Ärzten ärgern sich über diese Concierge-Ärzte.« Vielleicht gehörte auch Dr. Brown zu dieser Gruppe, da das Konzept der Concierge-Medizin in krassem Widerspruch zu der neuen Berufsethik stand, die die medizinischen Fakultäten vertraten, und mehr als jeder andere in diesem Prozess stand Dr. Herman Brown für die akademische Welt.
»Dr. Brown«, sagte Tony, während seine kurzen, dicken Finger die Ränder des Pults umklammerten. »Bevor wir zu Patience Stanhopes tragischem und vermeidbarem Tod kommen …«
»Einspruch«, rief Randolph mit Nachdruck. »Es ist keineswegs erwiesen, dass Mrs Stanhopes Tod vermeidbar gewesen wäre.«
»Stattgegeben!«, verkündete Richter Davidson. »Formulieren Sie die Frage neu!«
»Bevor wir zu Patience Stanhopes tragischem Tod kommen, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereits zuvor mit dem Beklagten, Dr. Craig Bowman, in Kontakt gekommen sind.«
»Ja, das bin ich.«
»Würden Sie den Geschworenen erklären, in welcher Eigenschaft?«
»Einspruch, Euer Ehren«, warf Randolph verärgert ein.
»Unerheblich. Und falls es in irgendeiner unergründlichen Weise doch von Belang sein sollte, erhebe ich Einspruch gegen Dr. Brown als Sachverständigen wegen Befangenheit.«
»Die Anwälte bitte an meinen Tisch«, befahl Richter Davidson.
Gehorsam trafen sich Tony und Randolph an der Seite des Richtertisches.
»Ich werde äußerst ungehalten, falls es zu einer Wiederholung von Montag kommen sollte«, erklärte Richter Davidson. »Sie sind beide erfahrene Anwälte. Verhalten Sie sich gefälligst auch so! Sie kennen beide die Regeln. Und nun zu der Richtung, in die Ihre Fragen zielen, Mr Fasano! Darf ich annehmen, dass Sie dafür relevante Gründe haben?«
»Auf jeden Fall, Euer Ehren! Der Kern unseres Standpunkts berührt die Frage von Dr. Bowmans Einstellung zu seinen Patienten im Allgemeinen und Patience Stanhope im Besonderen. Ich möchte dem Gericht nur noch einmal die abschätzige ›PP‹-Kennzeichnung in Erinnerung rufen. Dr. Brown ist in der Lage, uns einen Einblick in die Entwicklung dieser Haltung während Dr. Bowmans entscheidendem drittem Jahr an der medizinischen Fakultät und während seiner Zeit als Assistenzarzt zu verschaffen. Spätere Zeugenaussagen werden diese unmittelbar mit dem Fall Patience Stanhope in Verbindung bringen.«
»Na gut, dann werde ich diese Richtung zulassen«, sagte Richter Davidson. »Aber stellen Sie den Zusammenhang schnellstens heraus, um ihre Relevanz deutlich zu machen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Vollkommen klar, Euer Ehren«, entgegnete Tony, der ein leises zufriedenes Lächeln nicht unterdrücken konnte.
»Machen Sie nicht so ein verdammt gequältes Gesicht«, wandte sich Richter Davidson an Randolph. »Ihr Einspruch wurde ins Protokoll aufgenommen. Vorausgesetzt, Mr Fasano hat im Hinblick auf die Relevanz die Wahrheit gesagt, bin ich der Ansicht, dass der Beweiswert den nachteiligen Effekt für Ihren Mandanten überwiegt. Ich gebe zu, das ist eine Ermessensfrage, aber dazu bin ich ja hier. Im Gegenzug werde ich der Verteidigung große Freiheiten im Kreuzverhör zugestehen. Und was die Befangenheit des Zeugen angeht, hätten Sie reichlich Gelegenheit gehabt, das während des Beweiserhebungsverfahrens festzustellen, was nicht geschehen ist. Aber auch diese Frage kann im Kreuzverhör geprüft werden.
Außerdem will ich, dass hier endlich etwas mehr Tempo in die Sache kommt«, fuhr Richter Davidson fort. »Ich habe eine Woche für diese Verhandlung angesetzt, und jetzt haben wir schon Mittwoch. Den Geschworenen und meinem
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