Crisis
Stanhopes zu fahren, statt die Patientin im Krankenhaus zu treffen, hat er eine Verzögerung verursacht.«
»Aber bevor Dr. Bowman beim Haus der Stanhopes eintraf, stand die Diagnose doch noch gar nicht fest.«
»Der Aussage des Klägers im Beweiserhebungsverfahren zufolge hat Dr. Bowman ihm gesagt, dass seine Frau einen Herzinfarkt erlitten habe.«
»Das war die Aussage des Klägers«, entgegnete Randolph, »der Beklagte hingegen hat bei seiner Befragung darauf hingewiesen, dass er lediglich gesagt habe, ein Herzinfarkt müsse als Erstes ausgeschlossen werden. Er hat nicht mit Bestimmtheit gesagt, dass Patience Stanhope einen Myokardinfarkt hatte, wie Sie als Ärzte das nennen. Wenn es kein Herzinfarkt gewesen wäre, hätte der Hausbesuch auch keine Verzögerung bedeutet. Trifft das nicht zu?«
»Es trifft zu, aber sie hatte nun einmal einen Herzinfarkt. Das ist dokumentiert. In ihrer Akte stand auch, dass bei ihr ein Belastungs-EKG mit unklaren Resultaten durchgeführt worden war.«
»Worauf ich hinauswill, ist, dass Dr. Bowman nicht mit Sicherheit wusste, dass Patience einen Myokardinfarkt erlitten hatte«, sagte Randolph. »Und das wird er auch hier vor Gericht aussagen. Aber lassen Sie uns auf die Aussagen bezüglich des Medizinstudiums zurückkommen, die Sie vorhin gemacht haben. Darf ich Sie fragen, ob Sie bei Ihrem Praktikum in der Inneren Medizin in Ihrem dritten Studienjahr die Note A erhalten haben?«
»Das habe ich.«
»Und haben alle Studenten aus Ihrer Gruppe ein A erzielt?«
»Nein.«
»Hätten denn alle gerne ein A gehabt?«
»Vermutlich.«
»Wie schafft man es auf die medizinische Fakultät? Muss man dazu vor der Aufnahme des Medizinstudiums auf dem College durchgängig die Note A erzielen?«
»Selbstverständlich.«
»Und wie gelangt man an die begehrtesten Assistenzarztstellen, am Boston Memorial Hospital zum Beispiel?«
»Indem Sie A’s schreiben.«
»Ist es dann nicht heuchlerisch, wenn Universitätsangehörige Konkurrenzdenken als unmenschlich herabsetzen und trotzdem ihr gesamtes System darauf gründen?«
»Die beiden Konzepte schließen einander nicht notwendigerweise aus.«
»Vielleicht nicht in der besten aller Welten, aber die Realität sieht doch etwas anders aus. Konkurrenzdenken erzeugt niemals echtes Mitgefühl. Wie Sie eben so eloquent aussagten, müssen Medizinstudenten eine atemberaubende Menge an Informationen aufnehmen, und dementsprechend werden sie benotet. Ich habe noch eine weitere Frage in diese Richtung. Würden Sie aus Ihrer Erfahrung sowohl als Student als auch als Betreuer sagen, dass ein gewisser Wettbewerb um die, wie Sie es nennen, ›interessantesten Fälle‹ herrscht und die routinemäßigen altersbedingten Leiden nicht so begehrt sind?«
»Wahrscheinlich schon.«
»Und das liegt daran, dass diese Fallbeschreibungen die größte Anerkennung finden?«
»Vermutlich.«
»Was darauf schließen lässt, dass alle Studenten, vor allem aber die besten von ihnen, die Patienten in gewisser Weise benutzen, um sowohl von ihnen zu lernen als auch durch sie ihre Karriere zu befördern.«
»Vielleicht.«
»Danke, Doktor«, sagte Randolph. »Lassen Sie uns jetzt auf das Thema Hausbesuche zu sprechen kommen. Wie denken Sie als Arzt über Hausbesuche?«
»Sie sind nur von eingeschränktem Wert. Man hat keinen Zugang zu den Geräten, die notwendig sind, um die Medizin des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu praktizieren.«
»Ärzte halten also im Allgemeinen nicht viel von Hausbesuchen. Würden Sie mir dahingehend zustimmen?«
»Ja. Abgesehen von der unzureichenden Ausrüstung bedeuten sie auch eine unangemessene Verschwendung von Ressourcen, da während der Fahrt zum Haus des Patienten und wieder zurück zu viel Zeit verloren geht. Im gleichen Zeitraum könnte man sehr viel mehr Patienten behandeln.«
»Also sind sie ineffizient.«
»Ja, so könnte man es ausdrücken.«
»Und wie denken Patienten über Hausbesuche?«
»Einspruch!«, rief Tony und erhob sich halb von seinem Stuhl. »Hörensagen.«
Richter Davidson nahm mit einem Ruck die Lesebrille ab und funkelte Tony mit ungläubigem Ärger an.
»Abgewiesen!«, fauchte er. »Als Patient, was wir alle gelegentlich sind, kann Dr. Brown aus eigener Erfahrung sprechen. Fahren Sie fort.«
»Soll ich meine Frage wiederholen?«, erkundigte sich Randolph.
»Nein«, sagte Dr. Brown. Er zögerte. »Die meisten Patienten mögen Hausbesuche.«
»Was, glauben Sie, hielt Patience Stanhope von
Weitere Kostenlose Bücher