Crisis
richtete er sich auf und streckte seinen Rücken.
»Keine Verengung«, sagte er mit einer Mischung aus Überraschung und Enttäuschung. Obwohl er normalerweise darauf achtete, sich bei der Diagnose nicht zu früh auf eine Richtung festzulegen, aus Angst, sich von einem positiven Ergebnis blenden zu lassen, war er sich in diesem Fall ziemlich sicher gewesen. Die rechte Koronararterie versorgte den größten Teil des Reizleitungssystems des Herzens mit Blut, das bei Patience Stanhopes Herzinfarkt ausgeschaltet worden war.
»Kein Grund zu verzweifeln«, sagte Latasha. »Die zehn Dollar sind noch nicht verloren. Es gibt zwar keine Verengung, aber ich sehe auch keine atheromatösen Ablagerungen.«
»Sie haben recht. Sie ist vollkommen frei«, stimmte Jack ihr zu. Er konnte es kaum glauben. Das gesamte Blutgefäß war entsetzlich normal.
Jack richtete seine Aufmerksamkeit auf die linke Koronararterie und ihre Verzweigungen. Doch nach ein paar Minuten war klar, dass die linke ganz genauso aussah wie die rechte. Sie war vollkommen frei von Ablagerungen und Strikturen. Er stand vor einem Rätsel und fühlte sich betrogen. Nach allem, was er durchgemacht hatte, erschien es ihm wie ein Affront, dass jetzt keine sichtbare Koronaranomalie zu erkennen war.
»Die pathologische Veränderung muss im Inneren des Herzens liegen«, sagte Latasha. »Vielleicht finden wir Vegetationen auf der Mitralklappe oder der Aortenklappe, von denen ein Schauer von Thromben ausgegangen ist, die sich im Nachhinein wieder aufgelöst haben.«
Jack nickte, aber er dachte darüber nach, wie hoch wohl die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Herztods infolge eines Herzinfarkts ohne Vorliegen einer Schädigung der Koronararterien sein mochte. Er hielt sie für sehr gering, sicher unter zehn Prozent, aber offensichtlich möglich, wie die vor ihm liegende Leiche bewies. Eines, worauf er sich bei der forensischen Pathologie immer verlassen konnte, war die Tatsache, dass er ständig etwas Neues lernte.
Latasha riss ihn aus seiner Mini-Trance, indem sie ihm ein Messer mit langer Klinge reichte. »Na los! Lassen Sie uns einen Blick ins Innere werfen.«
Jack öffnete alle vier Herzkammern und setzte eine Reihe von parallelen Schnitten in die Muskelwände. Er und Latasha untersuchten die Klappen, die Scheidewände zwischen der rechten und der linken Herzhälfte und die Schnittflächen des Muskels. Sie arbeiteten schweigend und überprüften alles einzeln und methodisch. Als sie fertig waren, sahen sie sich über den Tisch hinweg an.
»Die gute Nachricht ist, dass keiner von uns zehn Dollar verloren hat«, versuchte Jack der Situation doch noch einen Scherz abzugewinnen. »Und die schlechte, dass Patience Stanhope ihre Geheimnisse für sich behält. Sie galt schon zu Lebzeiten nicht gerade als kooperativ, und nach ihrem Tod hat sich das nicht gebessert.«
»Bei der Geschichte, die Sie mir erzählt haben, kann ich nicht fassen, dass dieses Herz so normal aussieht«, sagte Latasha. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich vermute, auf Antworten werden wir bis zur mikroskopischen Untersuchung warten müssen. Vielleicht war es die Folge einer Kapillarschädigung, von der nur die kleinsten Gefäße des Koronarsystems betroffen waren.«
»So etwas habe ich noch nie gehört.«
»Ich auch nicht«, gestand Latasha. »Aber sie ist an einem schweren Herzinfarkt gestorben. Das heißt, es muss noch andere pathologische Anomalien geben als ein kleines, asymptomatisches Kolonkarzinom. Moment! Wie heißt noch mal das Syndrom, bei dem diese Koronarspasmen auftreten?« Sie gestikulierte vor Jack herum, als spielte sie Scharade, damit er ihr mit dem Namen aushalf.
»Ich habe beim besten Willen keine Ahnung. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit etwas völlig Banalem, das mich in Minderwertigkeitskomplexe stürzen wird.«
»Prinzmetal! Das ist es«, sagte Latasha triumphierend. »Prinzmetal-Angina.«
»Nie gehört«, gab Jack zu. »Jetzt erinnern Sie mich an meinen Schwager, den Leidtragenden bei diesem Fiasko. Er würde es ganz sicher kennen. Können diese Spasmen auch einen schweren Herzinfarkt auslösen? Das ist die entscheidende Frage.«
»Nein, es kann nicht Prinzmetal gewesen sein«, sagte Latasha mit einem Mal und winkte ab. »Selbst bei diesem Syndrom treten die Spasmen immer in Verbindung mit einer Stenose des Blutgefäßes auf, was bedeutet, dass wir etwas sehen müssten, und das tun wir nicht.«
»Ich bin erleichtert«, entgegnete Jack.
»Irgendwie müssen
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