Crisis
wir es rauskriegen.«
»Das ist ja meine Absicht, aber nachdem wir keine krankhaften Veränderungen der Herzgefäße gefunden haben, stehe ich da wie ein Trottel, und es ist mir regelrecht peinlich, wenn ich bedenke, welchen Aufwand ich betrieben habe, um diese Autopsie überhaupt durchzuführen.«
»Ich habe eine Idee«, sagte Latasha. »Lassen Sie uns die ganzen Proben in mein Büro bringen. Dort können wir das Herz unter dem Stereomikroskop untersuchen und sogar ein paar Gefrierschnitte vom Herzgewebe herstellen, um uns die Kapillaren anzuschauen. Das restliche Material muss auf normale Weise bearbeitet werden.«
»Vielleicht sollten wir einfach irgendwo etwas essen gehen«, schlug Jack vor, der plötzlich mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben wollte.
»Ich besorge uns auf dem Weg zurück ins Institut eine Pizza. Kommen Sie schon! Wir machen eine Party daraus. Das Ganze ist ein verflixt kniffliges Rätsel. Lassen Sie uns sehen, ob wir es nicht doch lösen können. Wir können sogar heute Nacht noch ein toxikologisches Screening bekommen. Zufällig kenne ich den Leiter der Nachtschicht im Labor an der Uni. Wir hatten vor einiger Zeit mal was miteinander. Es hat nicht geklappt, aber wir haben immer noch ab und zu Kontakt.«
Jack horchte auf. »Sagen Sie das noch mal!«, forderte er ungläubig. »Wir könnten heute Nacht noch ein toxikologisches Screening machen lassen?« Im rechtsmedizinischen Institut von New York konnte er sich glücklich schätzen, wenn er die Ergebnisse nach einer Woche bekam.
»Ganz genau, aber wir müssen bis elf Uhr warten, wenn Allan Smithams Schicht anfangt.«
»Wer ist Allan Smitham?«, fragte Jack. Die Möglichkeit einer sofortigen toxikologischen Untersuchung eröffnete seinen Nachforschungen ganz neue Dimensionen.
»Wir haben uns auf dem College kennen gelernt. Da hatten wir eine Menge Chemie und Bio zusammen. Dann bin ich auf die medizinische Fakultät gewechselt und er hat promoviert. Jetzt arbeiten wir nur ein paar Blocks voneinander entfernt.«
»Und was ist mit Ihrem Schönheitsschlaf?«
»Darüber mache ich mir morgen Nacht Gedanken. Jetzt habe ich erst mal Blut geleckt. Wir müssen Ihren Schwager doch vor den bösen Anwälten retten.«
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Kapitel 20
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Newton, Massachusetts Donnerstag, 8. Juni 2006 21.08 Uhr
Alexis ging beim vierten Klingeln ans Telefon. Jack hatte sein Handy auf Lautsprecher gestellt. Er war auf dem Weg vom Bestattungsinstitut zum Newton Memorial Hospital. Er wollte dem Krankenhaus einen kurzen Besuch abstatten, bevor die Drei-bis-elf-Schicht Feierabend machte, weil er hoffte, dort Matt Gilbert und Georgina O’Keefe zu erwischen. Er hatte sich spontan dazu entschlossen, als er und Latasha das Bestattungsinstitut verließen, nachdem sie die Obduktion abgeschlossen hatten. Sie hatte gesagt, dass sie kurz in ihre Wohnung fahren würde, um den Hund zu füttern, dann wollte sie die Flüssigkeitsproben zusammen mit einer Nachricht für Allan im toxikologischen Labor abgeben und schließlich noch zwei Pizzas besorgen, ehe sie ihn auf dem Parkplatz des rechtsmedizinischen Instituts treffen würde. Sie hatte Jack angeboten, sie zu begleiten, aber er hatte sich entschieden, die Gelegenheit zu nutzen und stattdessen im Krankenhaus vorbeizufahren.
»Ich hatte gehofft, dass du es bist«, sagte Alexis, als sie Jacks Stimme hörte.
»Kannst du mich verstehen?«, fragte Jack. »Ich habe auf Lautsprecher geschaltet.«
»Ich höre dich gut. Wo bist du?«
»Das frage ich mich auch andauernd«, flachste Jack. Seine Stimmung hatte sich seit dem frustrierenden Ergebnis von Patience’ Obduktion wieder gebessert. Latashas Enthusiasmus und die Aussicht auf Unterstützung durch einen Toxikologen hatten ihm einen Energieschub verpasst, und sein Gehirn hatte allmählich Fahrt aufgenommen wie eine altmodische Dampflok. Jetzt flatterten Ideen in seinem Kopf herum wie eine Schar aufgeregter Spatzen.
»Du bist ja bester Laune. Was ist denn los?«
»Ich sitze im Auto und bin auf dem Weg zum Newton Memorial Hospital.«
»Ist dir etwas passiert?«
»Mir geht es gut. Ich will nur kurz reinspringen und den Leuten aus der Notaufnahme, die sich um Patience Stanhope gekümmert haben, ein paar Fragen stellen.«
»Sind die Exhumierung und die Autopsie abgeschlossen?«
»Ja.«
»Und was hast du gefunden?«
»Abgesehen von einem aus unserer Sicht irrelevanten Darmkarzinom nichts.«
»Nichts?«, fragte Alexis. Die Enttäuschung in ihrer Stimme war
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