Crisis
Hörensagen. Ich kann eine solche Ausdrucksweise nicht dulden.«
Craig spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er wollte sich umdrehen und Alexis anschauen, aber er brachte es einfach nicht über sich, nicht unter diesen demütigenden Umständen.
»Stattgegeben! Mr Fasano, bleiben Sie bei den Fakten und enthalten Sie sich aufwiegelnder Ausschmückungen, bis die Zeugin aussagt.«
»Natürlich, Euer Ehren. Es fällt mir nur schwer, meine Emotionen zu zügeln.«
»Wenn Sie es nicht schaffen, werde ich Sie wegen Missachtung des Gerichts belangen.«
»Verstanden«, sagte Tony. Es richtete seinen Blick wieder auf die Geschworenen. »Was Sie von dieser Zeugin hören werden, ist, dass sich Dr. Bowmans Lebensstil dramatisch gewandelt hatte.«
»Einspruch«, sagte Randolph. »Privatleben, Lebensstil – nichts von alldem ist für den vorliegenden Fall von Belang.
Hier handelt es sich um ein Arzthaftungsverfahren.«
»Grundgütiger!«, rief Richter Davidson frustriert. »Die Anwälte bitte an meinen Tisch!«
Gehorsam traten Randolph und Tony an die Seite der erhöhten Richterbank, wo sie niemand im Gerichtssaal hören konnte, vor allem nicht die Protokollführerin und die Geschworenen.
»In diesem Tempo wird sich die Verhandlung noch ein ganzes Jahr hinziehen, Herrgott noch mal«, schimpfte Richter Davidson. »Wenn Sie so weitermachen, kann ich meinen Zeitplan für den ganzen Monat in den Papierkorb werfen.«
»Ich kann nicht dulden, dass diese Farce so weitergeht«, beschwerte sich Randolph. »Sie schadet meinem Mandanten.«
»Bei diesen ewigen Unterbrechungen verliere ich ständig den Faden«, grummelte Tony.
»Halten Sie endlich die Klappe! Ich will keinen von Ihnen beiden mehr nörgeln oder jammern hören. Mr Fasano, würden Sie Ihr Abweichen von den relevanten medizinischen Fakten bitte begründen!«
»Dr. Bowman hat beschlossen, der Verstorbenen einen Hausbesuch abzustatten, statt der Bitte des Klägers zu entsprechen, seine Frau auf schnellstem Wege ins Krankenhaus zu bringen, obwohl Dr. Bowman, wie er selbst bezeugen wird, einen Herzinfarkt vermutete.«
»Ja und?«, fragte Richter Davidson. »Ich nehme doch an, dass Dr. Bowman ohne unangemessene Verzögerung auf den Notfall reagiert hat.«
»Das bestreiten wir gar nicht, aber bevor Dr. Bowman in seine Midlife-Crisis geriet und mit seiner Geliebten in die Innenstadt zog, hat er nie Hausbesuche gemacht. Meine Sachverständigen werden aussagen, dass die Verzögerung durch diesen Hausbesuch für Patience Stanhopes Tod entscheidend war.«
Richter Davidson dachte darüber nach. Dabei verzog er geistesabwesend seine Unterlippe, so dass sein Schnurrbart fast ans Kinn hinabreichte.
»Ob jemand das Leben eines braven Familienvaters führt, ist bei einem ärztlichen Behandlungsfehler überhaupt nicht von Belang«, versetzte Randolph. »Rechtlich gesehen, stellt sich doch nur die Frage, ob es eine Abweichung von allgemeinen Behandlungsstandards gab, die zu einer Schädigung führte, welche Schadenersatzansprüche begründet.«
»Generell haben Sie recht, aber ich glaube, Mr Fasanos Argument ist schlüssig, vorausgesetzt, es wird in der Folge durch Zeugenaussagen gestützt. Können Sie mir versichern, dass das eindeutig der Fall sein wird?«
»Wort für Wort«, entgegnete Tony voller Überzeugung.
»Dann ist es an den Geschworenen, darüber zu befinden. Einspruch abgelehnt. Sie können fortfahren, Mr Fasano, aber ich warne Sie noch einmal: Keine aufwiegelnden Formulierungen mehr.«
»Danke, Euer Ehren.«
Sichtlich verärgert kehrte Randolph an seinen Platz zurück. »Wir werden es wohl über uns ergehen lassen müssen«, sagte er. »Der Richter gewährt Fasano ungewöhnliche Freiheiten. Das Gute daran ist, dass es uns Material für die Berufung liefert, falls am Ende eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers herauskommen sollte.«
Craig nickte, doch dass Randolph zum ersten Mal die Möglichkeit einer Niederlage ausgesprochen hatte, trug zu seiner wachsenden Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit bei.
»Also gut, wo zum Teufel bin ich stehen geblieben?«, sagte Tony, nachdem er wieder ans Rednerpult getreten war. Er blätterte kurz durch seine Karteikarten, zog die Ärmel seines seidenen Jacketts zurecht, so dass die Manschetten seines Hemds gerade weit genug hervorschauten und auch seine klobige goldene Uhr noch zu sehen war. Dann hob er den Blick. »In der dritten Klasse habe ich gelernt, dass ich furchtbar schlecht darin bin, vor Gruppen zu sprechen.
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