Crisis
Ehren«, sagte Tony mit einem Blick zum Richter. »Ihre Speicher sind voll von Gesetzen, Präzedenzfällen und allem möglichen unverständlichen Rechtskram, wohingegen diese Leute« – er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Geschworenen – »in der Lage sind, die Fakten zu sehen. Meiner Meinung nach ist das das Entscheidende. Falls ich jemals Ärger bekommen sollte, wünsche ich mir eine Jury. Warum? Weil Sie, Herrschaften, mit Ihrem gesunden Menschenverstand und Ihrer Intuition durch den Gesetzesnebel hindurchsehen und die Wahrheit erkennen können.«
Mehrere der Geschworenen nickten zustimmend, und Craig spürte, wie sein Puls schneller ging und er sich verkrampfte. Seine Befürchtung, Tony könne die Geschworenen auf seine Seite ziehen, schien sich bereits jetzt zu bewahrheiten. Das war bezeichnend für diese ganze jämmerliche Geschichte. Immer wenn er glaubte, es könne gar nicht mehr schlimmer kommen, geschah es.
»Ich werde«, fuhr Tony fort, wobei er mit der rechten Hand gestikulierte, »Ihnen vier grundlegende Punkte beweisen. Punkt eins: Mit Hilfe der Angestellten des Doktors werde ich zeigen, dass Dr. Bowman der Verstorbenen gegenüber eine Verpflichtung eingegangen war. Punkt zwei: Durch die Zeugenaussage von drei anerkannten Sachverständigen aus drei der angesehensten medizinischen Einrichtungen unserer Region werde ich aufzeigen, was ein vernünftiger Arzt unter den Umständen tun würde, in denen sich die Verstorbene am Abend des 8. September 2005 befand. Punkt drei: Mit Hilfe der Aussage des Klägers, einer Angestellten des Doktors und einer der Sachverständigen, die zufällig mit diesem Fall zu tun hatte, werde ich Ihnen erläutern, wie Dr. Bowman es in fahrlässiger Weise versäumte, so zu handeln, wie ein vernünftiger Arzt gehandelt hätte. Und Punkt vier: dass Dr. Bowmans Verhalten die unmittelbare Ursache für den bedauerlichen Tod der Patientin darstellte. So wird es im Großen und Ganzen ablaufen.«
Auf Craigs Stirn bildeten sich Schweißtröpfchen, und sein Hals war mit einem Mal völlig trocken; er musste auf die Toilette, aber er traute sich nicht. Mit beschämend zittriger Hand goss er ein wenig Wasser aus dem Krug vor ihm in sein Glas und trank einen Schluck.
»Jetzt sind wir wieder zurück auf festem Boden«, flüsterte Randolph. Er war offensichtlich nicht so erschüttert wie Craig, was für diesen einen gewissen Trost bedeutete. Aber Craig wusste, dass Tony noch nicht fertig war.
»Was ich gerade skizziert habe«, fuhr Tony fort, »ist der Kern eines ganz gewöhnlichen Falls von ärztlicher Sorgfaltspflichtverletzung. Es ist das, was geschwollen daherredende, teure Anwälte, wie mein Gegner, gerne einen ›prima facie‹-Fall nennen. Ich nenne es den Kern, das Entscheidende. Viele Anwälte, genau wie viele Ärzte auch, haben eine Vorliebe für Wörter, die kein Mensch versteht, vor allem lateinische Wörter. Aber das hier ist kein alltäglicher Fall. Es ist viel schlimmer, und deshalb reagiere ich bei diesem Fall auch so emotional. Nun, die Verteidigung wird versuchen, Sie mit Hilfe entsprechender Aussagen davon zu überzeugen, dass Dr. Bowman ein großartiger, mitfühlender, wohltätiger Arzt mit einer Bilderbuch-Familie sei, aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus.«
»Einspruch!«, wandte Randolph ein. »Dr. Bowmans Privatleben spielt hier keine Rolle. Der Anwalt versucht, meinen Mandanten zu verunglimpfen.«
Richter Davidson nahm seine Lesebrille ab und starrte auf Tony hinab. »Sie schweifen weit ab, mein Sohn. Ist die Richtung, die Sie eingeschlagen haben, für diesen speziellen Vorwurf der Vernachlässigung der ärztlichen Sorgfaltspflicht relevant?«
»Unbedingt, Euer Ehren. Sie ist ganz entscheidend für den Fall.«
»Sowohl Sie als auch die Klage Ihres Mandanten werden sich in Teufels Küche wiederfinden, wenn das nicht der Fall sein sollte. Einspruch abgelehnt. Fahren Sie fort.«
»Danke, Euer Ehren«, sagte Tony, bevor er sich wieder den Geschworenen zuwandte. »Am Abend des 8. September 2005, als Patience Stanhope ihrem vorzeitigen Ende entgegensah, saß Dr. Craig Bowman nicht gemütlich mit seiner herzigen Familie in seinem kuscheligen, schnieken Haus in Newton. Oh nein! Sie werden von einer Zeugin, die nicht nur seine Angestellte, sondern auch seine Geliebte war, hören, dass er sich mit ihr zusammen in seinem Liebesnest in der Innenstadt aufhielt.«
»Einspruch!«, sagte Randolph mit für ihn untypischer Vehemenz. »Aufwiegelnd und
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