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Cristóbal: oder Die Reise nach Indien

Cristóbal: oder Die Reise nach Indien

Titel: Cristóbal: oder Die Reise nach Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Orsenna
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herrlicheDinge, für die sie keine Erklärungen hatten. Sie sahen und hörten, wie sich die Engel über ihr Kommen freuten. Sie lauschten ihrem schönen Gesang, aber sie konnten ihn nicht ertragen. Ihre Natur konnte eine so große Herrlichkeit nicht fassen und verstehen.
    Der junge Mann sagte zu ihnen:
    «Lasst uns umkehren, ich werde euch nicht noch weiter führen. Es ist euch nicht erlaubt, weiter zu gehen; denn dafür seid ihr zu unwissend. Brendan, du hast jetzt das Paradies gesehen, worum du Gott so sehr gebeten hast. Hunderttausend Mal mehr Herrlichkeit, als du gesehen hast, gibt es da vorne. Mehr wirst du erst erfahren, wenn du hierher zurückkehrst. Wohin du jetzt leiblich gekommen bist, wird bald deine Seele zurückkehren und hier das Jüngste Gericht erwarten. Nimm dir einige von diesen Steinen als Zeichen des Trostes mit.»
     

    Cristóbal, mit Gefühlsäußerungen sonst immer sehr zurückhaltend, klatschte in die Hände.
    «Siehst du, Bartolomeo: Die Berichte stimmen überein. Wann wirst du endlich aufhören zu spötteln? Im Westen gibt es Inseln, und sie liegen auf meiner Route nach Indien!»
    Am Ende jeder Geschichte umarmte er mich. Da ich ihn nie so fröhlich gesehen hatte, versorgte ich ihn mit weiteren Legenden, die ich mit seiner künftigen Seereise verknüpfte.
    «Manche Inseln kann kein Mensch sehen. Erinnerst du dich an die Weigerung der sieben Bischöfe, sich unter das arabische Joch zu beugen? Gott verlieh den tapferen Prälaten magische Kräfte. Sie konnten nach Gutdünken die Insel verschwinden lassen, auf der sie Zuflucht gefunden hatten. Hätten sie einen besseren Schutz vor den Muslimen finden können, die zu ihrer Verfolgung bliesen? Nichts weist auf die Existenz dieser Inseln hin außer einer Vielzahl von Vögeln: Sie kreisen ohne Unterlass über einem Stück Ozean, das völlig leer scheint. Halte Ausschau nach Vögeln, unter ihnen befindet sich eine Insel, das sage ich dir, undsorge dich nicht, wenn deine Augen kein Land sehen. Vertraue den Vögeln! Die Schriftsteller sind sich ganz sicher: Seit Anbeginn der Zeit gibt es eine tiefe Verbundenheit zwischen Inseln und Vögeln. Außerdem, wenn man es genau bedenkt: Vögel sind viel beständiger als Wolken – sind sie nicht Inseln am Himmel?»
    Er hörte mir mit offenem Mund zu. Wer Cristóbal nicht kannte, weiß nichts von dem Kind, das er immer war, das die Weite, den Glanz, die Kostüme liebte, wie nur ein Kind sie lieben kann, das vor allem die Liebe des Vaters und der Mutter zu erlangen suchte – nicht mehr die Liebe Domenicos und Susannas, sondern die Ferdinands und Isabellas, des Königs und der Königin.
    Dort, in der Kindheit des kleinen Genuesen, die er sich stets bewahrt hat, lagen die Triebfedern seiner Seele.
     

    Die wenigen Personen, die sich noch für mich interessieren und zu meinem Zufluchtsort finden, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, fragen alle: Warum hast du deinen letzten Wohnort auf eine Insel gelegt?
    Las Casas macht da keine Ausnahme. Ich sehe ihn an, ich lächle ihm zu, und zum Dank für seine Aufmerksamkeit erkläre ich ihm sorgfältig meine Art, mich dem Tod zu nähern.
    Jeder von uns ist eine Insel, nicht wahr? Eine Insel, die von anderen Inseln umgeben ist, getrennt von ihnen durch, je nach den Umständen, leichter oder schwerer zu überwindende Strömungen.
    Was ist das Alter?
    Diese Insel, die ich bin, schrumpft Jahr für Jahr, zernagt von einem unerbittlichen Meer, der Zeit. Eines nach dem anderen sind ganze Stücke meines Lebens ins Wasser gestürzt: das Lachen, die Liebe, der Geschmack am Wein. Ich reise immer weniger. Ich treffe immer weniger Menschen, ich esse und schlafe, ich träume und erinnere mich immer weniger. Ich höre immer schwächer, ichsehe immer schlechter. Die Dunkelheit belagert mich. Bald wird sie mich schlucken.
    Jetzt versteht Ihr, warum ich mir eine Insel zum letzten Wohnort ausgesucht habe: Die Insel erinnert mich daran, dass ich bin wie sie; zerbrechlich wie sie, bedroht wie sie. Der Anblick der Insel lehrt mich sterben.
    Las Casas wird wieder fortgehen, er wird entzückt sein und überall die Nachricht herumerzählen, Bartolomeo, der ehemalige Gouverneur, sei weise geworden und warte in Frieden mit sich selbst auf seine letzte Stunde.
    Dummes Geschwätz!
    Von meinem wichtigsten Kampf erzähle ich niemandem.
    Je mehr wir im Alter schrumpfen, umso mehr Platz nehmen unsere Gespenster in uns ein. Ich kenne sie. Sie haben es nicht eilig. Sie bereiten sich auf den

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