Cristóbal: oder Die Reise nach Indien
anzuheuern.
Wie groß war seine Überraschung – und Erleichterung –, alsCristóbal ihm eine weniger ungünstige Absicht unterbreitete: Er wolle heiraten! Doch wen sollte er zur Gattin wählen und wo sie finden? Als guter Kenner der Geographie wisse Andrea bestimmt, an welchen Orten der Stadt man mit etwas Glück einem jungen Mädchen aus gutem Hause schöne Augen machen könne.
Die Antwort kam unverzüglich:
«Im Konvent
der Heiligen.»
Bevor sie auszogen, die Ungläubigen zu bekämpfen, hatten die klügsten Kreuzfahrer von Lissabon Vorsichtsmaßnahmen getroffen und ihre Frauen in eine Einrichtung eingeschlossen, in der man sich darauf verstand, ihre Keuschheit zu hüten. Bald gesellten sich junge Damen zu ihnen, deren strikte Jungfräulichkeit medizinisch geprüft war und regelmäßig kontrolliert wurde.
Mit welchen Gebeten, welchen Drohungen, welcher Überwachung, welcher Diät gelang es den Nonnen von Santiago jahrhundertelang, diese Hundertschaft einsamer Leiber vom Teufel fernzuhalten? Es bleibt ein Geheimnis. Und ein Wunder. Doch wie dem auch sei,
die Heiligen
genossen einen Ruf ohnegleichen.
Auf die ausdrückliche Empfehlung von Andrea hin («edle Genueser Familie», «Überlebender eines schrecklichen Schiffsbruchs, also von Gott zu einem außergewöhnlichen Schicksal auserkoren»; «erlesene Bescheidenheit bei jemandem, den man trotz seines jugendlichen Alters als großen Seefahrer bezeichnet»…) erhielt Cristóbal die Erlaubnis, diese geschützten Mauern zu betreten. Drei Messen genügten ihm, um sein Vorhaben zu einem glücklichen Ende zu führen.
Bei der ersten erregte er Aufsehen mit seiner Körpergröße und seinem feuerroten Haar. In den sechs darauffolgenden Tagen wollte der Klatsch bei den Pensionärinnen nicht mehr verstummen, am wenigsten die naiven Fragen, denn die meisten hatten noch nie einen Rothaarigen gesehen: Ist dieses Haar nicht das Zeichen, dass ein Dämon in seinem Körper wohnt? Ob sich die Sommersprossen, die über seinem Gesicht verteilt sind, wohl auch weiter unten fortsetzen, unter dem Hemd und noch weiter unten, was ihm ja gewiss zur Zierde gereichen würde? Wie demauch sei, Hauptsache, er kommt wieder! Es gibt ja nicht so viele Gelegenheiten zur Zerstreuung bei
den Heiligen!
Während der zweiten Messe war die Neugier anderer Natur. Andrea hatte die Nachricht in Umlauf gebracht, dass der Mann mit dem Abendrot im Haar eine Familie zu gründen beabsichtige und den hoch angesehenen Konvent ausgewählt habe, um dort die künftige Mutter seiner vielen Kinder zu finden. Mit so durchschlagendem Erfolg, dass sogar die bereits verheirateten Damen berechnende Blicke auf Cristóbal warfen: Angenommen, mein Ehegatte würde – Gott möge dieses Unglück verhüten – nicht zurückkehren, weil er dem Krummschwert eines Ungläubigen zum Opfer gefallen ist, könnte mir dieser fiebrige Genuese dann nicht die unverhoffte Gelegenheit zu einer Wiederverheiratung bieten? Die noch immer jungfräulichen Damen hingegen, die sich mit der Zeit langweilten und denen die portugiesischen Freier, welche sich Sonntag für Sonntag die Klinke in die Hand gaben, zu geistlos und zu klein waren, wollten ihr Glück bei ihm versuchen.
Nach einem kleinen Gedränge am Ende der dritten Messe näherte sich ihm ein kühnes Gänseblümchen weiter als die anderen, ließ ihr Messbuch fallen, und Cristóbal hob es auf.
Entzückt kehrte er in die Werkstatt zurück.
«Wenn ich es in dem Stimmengewirr richtig verstanden habe, heißt sie Filipa Moniz Perestrello. Was wisst Ihr über die Familie?»
Andrea zog Erkundigungen ein. Man kann sich fragen, warum unser Arbeitgeber so viel Eifer an den Tag legte, Cristóbal zu helfen. Er wollte ihn eben behalten: Ein Geselle, der so beschlagen ist in allen Dingen des Meeres, ist eine Seltenheit. Und wenn es ihm gelänge, ihn in Lissabon zu verheiraten, hätte er gute Chancen, ihn zu halten. Es dauerte nicht lange, bis er uns berichtete.
Keine Besonderheiten auf Seiten der Moniz, des mütterlichen Familienzweigs der schönen Filipa: guter, alter Adel, eine tadellose Linie von Dienern der Krone.
Zum Glück barg die Geschichte der Perestrellos, des väterlichen Zweiges, ganz andere Schätze. Ein Edelmann dieses Namens verließ Piacenza und ließ sich um 1390 in Lissabon nieder. Das Klima sagt ihm zu, er zeugt vier Kinder. Richarte, der Älteste, tritt in einen Orden ein und wird, trotz seines besonders lasterhaften Lebenswandels, Prior von Santa Marina. Ihm werden zwei
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