Cristóbal: oder Die Reise nach Indien
wilden Tieren und den vielen verschiedenen Völkern die Rede war. Immer wieder bat er uns, ihm das sechzehnte Kapitel vorzulesen, das von den Wundern Indiens handelt:
Demnach liegt es auf der Hand, dass Indien eine riesige Fläche einnimmt. Mit den folgenden Ausführungen wird deutlich werden, dass dieses Land in der Vielfalt seiner Wunder nicht weniger groß ist. Seine Wälder haben die höchsten Bäume; in den Bergen trifft man auf Pygmäen, Menschen, die zwei Ellen groß sind und Jagd auf Reiher machen; diese Menschen zeugen nach drei Jahren Kinder und sterben in ihrem achten Lebensjahr. In diesem Land wächst ein weißer Pfeffer, der für eine dunkle Note verantwortlich ist, die vom Feuer kommt, das man dort legt, um die Schlangen zu vertreiben, die die Wälder bevölkern.
Es gibt dort Makrobier, zwölf Ellen große Menschen, die Greifen jagen. Die Löwen haben Flügel und Krallen nach Art der Adler.
Dort leben Agrathen und Brahmanen, die sich aus Liebe in die Glut werfen. Man trifft auf Barbaren, die ihre vom Alter ausgezehrten Eltern töten und aufessen; wer von ihnen sich weigert, diesem Brauch zu folgen, wird als gottlos angesehen. Andere essen rohen Fisch und trinken das salzige Wasser aus dem Meer. Bestimmte menschenähnliche Ungeheuer haben die Füße vor demRücken, und ihre Füße haben acht Zehen; andere haben Hundsköpfe und hüllen sich in Tierhäute. Sie bellen wie Hunde.
In diesem Land gibt es Frauen, die nur ein einziges Mal gebären und deren Kinder bei Geburt weiß sind, mit zunehmendem Alter aber schwarz werden und deren Alter höchstens einen Sommer dauert; andere gebären fünfmal, und ihre Kinder leben nicht länger als bis zum achten Lebensjahr.
Es gibt dort Menschen, die nur ein Auge besitzen, man nennt sie Carismapi, außerdem Cenofevri, die Zyklopen genannt werden. Obwohl sie nur ein Bein zum Stehen haben, laufen sie schneller als der Wind; wenn sie sich auf den Boden setzen, beschatten sie sich, indem sie die Fußsohle in die Höhe strecken.
Andere, die Acephali, haben die Augen in den Schultern; anstelle der Nase und des Mundes haben sie zwei Löcher in der Brust, außerdem ist ihr Leib nach der Art mancher Tiere mit seidigem Haar bedeckt.
Bei den Quellen des Ganges wohnen Menschen, die von nichts als dem Duft einer bestimmten Frucht leben und die diese Frucht bei ihren Reisen mit sich nehmen; wenn ihnen das Unglück widerfährt, einen schlechten Geruch einzuatmen, sterben sie daran.
Man trifft auf Schlangen, die so groß sind, dass sie Hirsche verschlingen; diese Schlangen können schwimmend den Ozean überqueren. Man führt noch weitere erstaunliche Tiere von unerhörter Gestalt an.
Im Ganges sieht man Aale von dreihundert Fuß Länge. Angeblich gibt es dort auch einen Wurm, der wie Krabben zwei im Durchschnitt sechs Ellen lange Arme hat, mit denen er einen Elefanten umschlingen kann.
Der Indische Ozean bringt Schildkröten hervor, deren Schuppenpanzer den Menschen zur geräumigen Wohnstatt dienen können. Die Verfasser berichteten von einer großen Reihe anderer Wunder, die aufzuzählen zu lange wäre; doch ich verweise den Leser an Autoren wie Plinius, Solinus und vor allem Isidor von Sevilla im 1. Buch, Kapitel III, wo er diese Wunder und noch andere mehr behandelt.
Lieber Diego!
Er verstand es zu schweigen, wenn wir zu Fragen kamen, deren besondere Bedeutung er ahnte. Ich erinnere mich an seine großen Augen, als wir Kapitel VIII entdeckten und wie mit
einer
Stimme vor Begeisterung aufschrien:
Et dicit Aristotiles q mare paruu est iter fine Hyspanie a pte occidentis 2 iter principiu Indie a parte orientis…
Aristoteles behauptet, das Meer, das den äußersten Westen Spaniens vom östlichen Teil Indiens trennt, sei klein. Es geht hier, in dieser Theorie, nicht um das Hispania citerior, «das näher liegende Hispanien», das wir heute schlicht unter dem Namen Spanien kennen, sondern um das Hispania ulterior, «das weiter entfernte Hispanien», das man heute mit dem Namen Afrika bezeichnet und von dem gute Autoren wie Plinius, Orosius und Isidor gesprochen haben. Zudem sagt Seneca im fünften Buch von
Über die Natur,
dass dieses Meer bei günstigen Winden in wenigen Tagen überquert werden könne.
Auf der Westroute nach Indien gelangen!
Cristóbal war wieder Feuer und Flamme. Mehr denn je, sofern dies möglich war, erinnerte er mich doch ständig daran, dass Filipa als Erste diese Idee mit ihm geteilt hatte. Das Unternehmen war wieder da!
Zwei geographische
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