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CROMM - Das Dorf findet dich

CROMM - Das Dorf findet dich

Titel: CROMM - Das Dorf findet dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Schmitt-Egner , Christian Sidjani
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sagte und sie beide anstarrte.
    »Zu meiner Zeit hat man erst mal Guten Tag gesagt«, tadelte Vera. Der Mann reagierte nicht auf den Einwurf.
    »Sie können gleich weiter. Wir fahren kurz vor«, sagte er.
    »Gut, danke«, antwortete Karl. Er ließ das Fenster hochfahren und sah durch die Frontscheibe, wie der Mann zu dem Traktor zurückging. Er stieg auf das wuchtige Gefährt und ließ den Motor an. Die Räder drehten sich und dann setzte der Traktor leicht zurück und zur Seite. Karl fuhr an und lenkte den Wagen langsam über den verschmutzten Straßenbelag. Er glitt an dem Unfallort vorbei und die freie Straße lag wieder vor ihnen. Vera sah in den Rückspiegel.
    »Also kaputt war der Trecker wohl nicht«, stellte sie fest.
    »Hat auch niemand behauptet«, erwiderte Karl. Vera behielt den Blick auf das Geschehen hinter ihnen gerichtet.
    »Die sind verrückt«, sagte sie dann. »Die parken den Trecker wieder an der Stelle, wo er die Straße versperrt. Jetzt kommt wieder keiner durch. Man sollte die Polizei informieren.«
    »Lass sie doch einfach. Die wissen schon, was sie da machen.« Karl gab etwas mehr Gas. Im nächsten Ort wollte er nicht nur tanken, sondern auch nach einem gemütlichen Café Ausschau halten. Wenn Vera unterzuckerte, entwickelte sie unangenehme Eigenschaften. Karl hoffte auf Kirschstreusel in der Auslage. Veras Lieblingskuchen. Das und eine schöne Tasse Kaffee würde ihrer beider Laune anheben. Er schaute zu seiner Frau, die etwas missmutig aus dem Fenster sah. Herbstwälder flogen an ihnen vorbei.
    »Du siehst hübsch aus«, sagte Karl.
    »Wie?« Sie sah verwirrt zu ihm herüber.
    »Ich weiß nicht, aber du siehst heute einfach besonders hübsch aus.«
    Sie schaute unter sich und lächelte.
    »Hast du Lust auf Streuselkuchen? Wir suchen uns ein richtig schönes Café im nächsten Ort«, sagte Karl.
    »Ja, habe ich«, sagte sie. Es klang weich. Karl grinste sie an. Plötzlich hatte er richtig gute Laune. Der Tag konnte noch recht angenehm werden. Es lag einfach an ihm selbst und was er daraus machte. Das war das ganze Geheimnis.
     

 
    Die Monotonie der Autobahn brachte Jakob zum Grübeln. Er wollte wieder zurück, zu seiner Familie und zu seinen Freunden. Zum Ort, an dem alles für ihn neu begonnen hatte. Und doch war er derjenige, dem dieses Jahr die Aufgabe zuteil wurde. Er schaute in den Rückspiegel, um sich zu überzeugen, dass niemand ihm folgte. Aber wer sollte es auch? Niemand wusste, dass er unterwegs war. Als er vorhin das Radio angeschaltet hatte, war eine grässliche Musik an seine Ohren gedrungen, der Pop-Song eines Verstorbenen, und er hatte die Kassette aus dem Fach gerissen und aus dem Fenster geworfen. Dann hatte er den Nachrichten aus der Welt gelauscht und festgestellt, wie wenig sie ihn berührten. Er war weit ab von den Sünden der Gesellschaft. Dort, wo er jetzt verweilte, ging es ihm besser. Und darum wollte er zurück. Aber zuerst hatte er seine Aufgabe zu erfüllen.
    Er fuhr an Hamburg vorbei, Richtung Kiel, weiter in den Norden, als er je gewesen war in seinem alten Leben. Er folgte seinem Instinkt und er folgte den Anweisungen, die er von Ihm vernahm. Eine Stimme, die an jenem Tag seiner Säuberung in ihn gedrungen war und ihn seitdem nicht mehr verließ. Eine gütige und wachende Stimme und er wusste, zu wem sie gehörte, aber er gewährte sich nicht, den Namen zu nennen, geschweige denn zu denken. Dieser Name gehörte nur in das Dorf.
    Er fuhr in eine Stadt, deren Namen er schon wieder vergessen hatte, nachdem das Schild an ihm vorbeigezogen war. Er wusste nur, dass er Hamburg zu meiden hatte. Wo er jetzt war, ließ er sich leiten durch die Hektik der Menschen, die ihm fremd geworden war. Er parkte vor einem Geschäft, das Lebensmittel feilbot, die in ihm Abscheu hervorriefen. All das Gift dieser Gesellschaft vereinigte sich in ihnen. Die Menschen waren selber Schuld, wenn sie es zu sich nahmen.
    Die meisten von ihnen vermochten sie nicht zu retten. Sie waren schon verloren. Doch einige Auserwählte sollten die Chance erhalten. Ja, das war ihre Gnade. So lebten sie doch, schon immer, wie er festgestellt hatte, wie ihm mitgeteilt worden war in den vielen Lesestunden, in den Runden, in denen er nur auf ihre Worte lauschte und fortgetragen wurde in eine bessere Welt.
    Jakob stieg aus, streckte seine Beine durch und beobachtete die Gegend. Der Geruch von Abgasen und altem Fett, Müll und Dreck stieg in seine Nase und er hustete kurz. Sobald er zurück war, mussten sie

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