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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Scheiße Scheiße Scheiße.
    Er musste schnell etwas unternehmen. Niemand
durfte sie sehen, die große Kotzpfütze auf dem Boden. Er ermahnte sich zur
Ruhe. Keine Panik, Grey, keine Panik. Er sah auf die Uhr: 02:31.
Ausgeschlossen, dass er noch dreieinhalb Stunden abwartete. Er stand auf, ging
um die Sauerei herum und öffnete leise die Tür. Ein kurzer Blick durch den
Korridor: keine Menschenseele zu sehen. Tempo, das war das Entscheidende.
Schnell arbeiten, und dann raus hier. Scheiß auf die Kameras; Paulson hatte
wahrscheinlich recht: Wie sollte jemand Tag und Nacht jede Minute alles
beobachten? Aus der Gerätekammer holte er sich einen Mopp, und am Spülbecken
ließ er Wasser in einen Eimer laufen und gab einen Becher Putzmittel dazu. Wenn
jemand ihn sehen sollte, könnte er sagen, er habe etwas verschüttet, eine Cola
oder einen Kaffee. Er durfte so etwas hier nicht mit reinnehmen, aber alle
taten es. Er hatte eine Cola verschüttet. Tat ihm schrecklich leid. Das würde
er sagen.
    Er war auch nicht wirklich krank, das spürte er
- nicht so, wie man bei den Tafeln denken konnte. Er schwitzte unter seinem
Hemd, aber das war nur die Panik. Als er den nach Chlor riechenden Eimer aus
dem tiefen Spülbecken hob, war die Botschaft seines Körpers völlig klar. Etwas
anderes hatte ihn kotzen lassen, irgendetwas in diesem Traum. Das Gefühl war
noch in seinem Mund, nicht nur der Geschmack an sich - eine allzu warme,
klebrige Süße, die Zunge und Kehle und Zähne überzog -, sondern das Gefühl von
weichem Fleisch, das zwischen seinen Kiefern nachgab und saftig zerplatzte. Als
habe er in eine verfaulte Frucht gebissen.
    Er riss ein paar Meter Krepppapier aus dem
Handtuchspender, holte einen Gefahrgutbeutel und ein Paar Handschuhe aus der
Kammer und schleppte alles zurück in den Überwachungsraum. Die Schweinerei war
zu groß, um sie einfach aufzuwischen; also kniete er sich hin und versuchte,
so gut es ging, alles mit dem Papierhandtuch aufzusaugen, und die größeren
Brocken schob er zu Haufen zusammen, die er mit den Händen aufheben konnte. Er
stopfte alles in den Beutel und verschloss ihn fest, und dann schüttete er das
Wasser mit dem Putzmittel auf den Boden und wischte es in Kreisbahnen auf. Irgendetwas
klebte in Klumpen an seinen Slippern, und er wischte auch sie ab. Der
Geschmack in seinem Mund war jetzt anders, wie von etwas Verdorbenem, und er
musste an seinen Hund Brownbear denken, dessen Atem manchmal so gerochen hatte.
Das war das einzig Unangenehme an ihm gewesen, wenn er zum Trailer
zurückgekommen war und nach irgendeinem vor Wochen überfahrenen Tier gestunken
hatte, und wenn er dann seine Schnauze dicht vor Greys Gesicht gehalten hatte,
um ihn auch mal schnuppern zu lassen. Grey konnte es ihm nicht verübeln,
Brownbear war eben nur ein Hund, aber diesen Geruch konnte er nicht ausstehen,
schon gar nicht wie jetzt in seinem eigenen Mund.
    Im Spindraum zog er sich hastig um, schob seinen
Schutzanzug in den Einwurf für Schmutzwäsche und fuhr mit dem Aufzug hinauf
nach E3. Davis war noch da; er saß zurückgelehnt auf dem Stuhl, hatte die Füße
auf sein Pult gelegt und las eine Zeitschrift. Er hatte kleine Ohrhörer drin,
und seine Stiefel wippten im Takt der Musik.
    »Ehrlich, ich weiß nicht, wieso ich mir dieses
Zeug überhaupt noch angucke«, sagte Davis laut über die Musik hinweg. »Was hat
es für einen Sinn?«
    Davis ließ die Füße auf den Boden fallen und
hielt Grey die Titelseite seines Hefts entgegen: zwei nackte Frauen in einer
verschlungenen Umarmung, mit offenen Mündern, und ihre Zungenspitzen berührten
sich. Grey fand, die Zungen sahen aus wie Muskelstränge, wie etwas, das im Deli
in der Vitrine auf Eis lag. Der Anblick ließ eine neue Welle von Übelkeit in
ihm aufsteigen.
    »Ach, stimmt ja«, sagte Davis, als er Greys
Gesicht sah, und zupfte sich die Knöpfe aus den Ohren. »Ihr steht nicht auf
dieses Zeug. Sorry.« Er beugte sich vor und rümpfte die Nase. »Mann, du
stinkst. Was ist das?«
    »Ich glaube, ich hab was Falsches gegessen«,
sagte Grey vorsichtig. »Ich muss mich kurz hinlegen.«
    Davis wich entsetzt zurück. Er stieß sich von
seinem Pult ab und ging auf Abstand. »Scheiße, sag das nicht.«
    »Ich schwöre, mehr ist es nicht.«
    »Mein Gott, Grey.« Die Augen des
Sicherheitsmanns weiteten sich vor Panik. »Was soll das? Hast du Fieber oder
so?«
    »Ich hab nur gekotzt, weiter nichts. Auf dem
Klo. Ich glaube, ich hab vielleicht zu viel gegessen. Ich muss nur für

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