Cronin, Justin
machte nicht viel her; sie reichte vielleicht über ein halbes Dutzend
Blocks. Alles sah verlassen aus. Die meisten Fenster waren mit Papier verklebt
oder mit Seifenlauge gestrichen. Wahrscheinlich gab es einen Wal-Mart in der
Nähe, dachte Wolgast, oder einen anderen großen Supermarkt, der eine Kleinstadt
wie Randall glatt von der Landkarte verschwinden ließ. Am Ende des Blocks fiel
ein Lichtquadrat über die Straße, davor parkte ein halbes Dutzend Pick-ups
schräg vor dem Bordstein. »Frühstück«, verkündete er.
Das Restaurant bestand aus einem einzigen,
schmalen Raum. Die verkleidete Decke war fleckig von dem Zigarettenrauch und
Fettdunst vieler Jahre. Auf der einen Seite erstreckte sich eine lange Theke,
und gegenüber war eine Reihe von Tischen mit gepolsterten, hochlehnigen
Sitzbänken. Es roch nach Kaffee und brutzelnder Butter. Ein paar Männer in
Jeans und Arbeitshemden saßen an der Theke; ihre breiten Rücken beugten sich
über Kaffeebecher und Teller mit Eiern. Die drei setzten sich an einen Tisch im
hinteren Teil. Die Kellnerin, eine Frau mittleren Alters mit breiten Hüften und
klaren grauen Augen, brachte ihnen Kaffee und Speisekarten.
»Was kann ich den Herren bringen?«
Doyle erklärte, er habe keinen Hunger und bleibe
beim Kaffee. Wolgast sah zu der Frau auf. Sie trug ein Namensschild: Luanne.
»Was ist denn gut hier, Luanne?«
»Ist alles gut, wenn Sie Hunger haben.« Sie
lächelte unverbindlich. »Die Maisgrütze ist nicht schlecht.«
Wolgast nickte und reichte ihr seine
Speisekarte. »Okay.«
Die Frau sah Amy an. »Und für die Kleine? Was
möchtest du denn, Süße?«
Amy hob den Blick von der Karte. »Pfannkuchen.«
»Und ein Glas Milch«, fügte Wolgast hinzu.
»Kommt sofort«, sagte die Frau. »Die werden dir
schmecken, Süße. Der Koch macht sie besonders schön.«
Amy hatte ihren Rucksack mitgenommen. Wolgast
ging mit ihr nach hinten zur Damentoilette, damit sie sich frischmachen konnte.
»Soll ich mit reinkommen?«
Amy schüttelte den Kopf.
»Wasch dir das Gesicht und putz dir die Zähne«,
sagte er. »Und bürste dir auch die Haare.«
»Fahren wir immer noch zu dem Doktor?«
»Ich glaube nicht. Wir werden sehen.«
Wolgast kehrte zum Tisch zurück. »Hören Sie«,
sagte er leise zu Doyle. »Ich möchte nicht in eine Straßensperre fahren. Das
könnte schiefgehen.«
Doyle nickte. Es war klar, was er meinte. Bei so
vielen Schusswaffen konnte leicht jemand nervös werden. Ehe man sich versah,
wäre der Tahoe von Kugeln durchlöchert, und alle wären tot.
»Was ist mit dem Bezirksstaatsanwalt in
Wichita?«
»Zu weit. Ich weiß nicht, wie wir da hinkommen
sollen. Und ich glaube, in dieser Situation wird kein Mensch zugeben, dass er je
von uns gehört hat. Das alles ist völlig inoffiziell.«
Doyle starrte in seinen Kaffeebecher. Er sah
abgespannt und resigniert aus, und Wolgast empfand jähes Mitgefühl für ihn. Auf
all das war der junge Mann nicht gefasst gewesen.
»Sie ist ein gutes Kind«, sagte Doyle und
seufzte tief durch die Nase. »Fuck.«
»Ich glaube, mit der Ortspolizei wird es besser
laufen. Entscheiden Sie selbst, was Sie tun wollen. Ich gebe Ihnen den
Schlüssel, wenn Sie wollen. Ich werde der Polizei alles sagen, was ich weiß.
Ich glaube, so haben wir die größten Chancen.«
»So hat sie die
größten Chancen, meinen Sie.« Es war kein Vorwurf. Doyle konstatierte lediglich
eine Tatsache.
»Ja. So hat sie die größten Chancen.«
Das Essen kam, als Amy von der Toilette
zurückkehrte. Der Koch hatte ihre Pfannkuchen so dekoriert, dass sie aussahen
wie ein Clownsgesicht, mit Schlagsahne aus der Sprühdose und Blaubeeren als
Augen und Mund. Amy goss Sirup über alles und machte sich darüber her; abwechselnd
nahm sie einen großen Bissen Pfannkuchen und einen Schluck Milch. Es tat gut,
ihr beim Essen zuzusehen.
Wolgast stand vom Tisch auf, als sie fertig
waren, und ging in den kleinen Flur vor den Toiletten. Er wollte seinen
BlackBerry nicht benutzen, und das Gerät lag außerdem im Tahoe. Er hatte dort
hinten ein Münztelefon gesehen, eine Antiquität. Er wählte Lilas Nummer in Denver,
aber das Telefon klingelte und klingelte, und als der Anrufbeantworter sich
einschaltete, wusste er nicht, was er sagen sollte, und legte wieder auf. Wenn
David ihn abhörte, würde er seine Nachricht sowieso gleich löschen.
Als er zum Tisch zurückkam, war die Kellnerin
dabei, das Geschirr abzuräumen. Er ließ sich die Rechnung geben und ging zur
Kasse. »Gibt es
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