Cronin, Justin
hier in der Nähe eine Polizeiwache?«, fragte er die Frau, während
er ihr das Geld gab. »Einen Sheriff oder so was?«
»Drei Blocks weiter«, sagte sie und legte die
Scheine in die Kasse. »Aber so weit brauchen Sie gar nicht zu laufen.« Mit
einem ka-tsching schloss
sie die Kassenschublade. »Kirk da drüben ist Deputy Sheriff. Stimmt's, Kirk?«
»Ach, hör auf, Luanne. Ich bin beim Essen.«
Wolgast schaute zu ihm hinüber. Kirk saß vor
einem Teller French Toast. Er hatte Hängebacken und große, wettergegerbte
Hände. Er trug Zivil - eine enge Wrangler, die unter seinem Bauch zusammengeschnürt
war, und eine fettfleckige Carhartt-Jacke in der Farbe von verbranntem Toast.
In einer Stadt wie dieser hatte er wahrscheinlich drei verschiedene Jobs.
Wolgast ging zu ihm. »Ich muss eine Entführung
melden«, sagte er.
Der Mann drehte sich auf dem Hocker um, wischte
sich mit einer Serviette den Mund ab und starrte Wolgast ungläubig an. »Wovon
reden Sie?« Er war unrasiert, und sein Atem roch nach Bier.
»Sehen Sie das Mädchen da drüben? Das ist die,
die überall gesucht wird. Ich nehme an, Sie haben's in den Nachrichten
mitbekommen.«
Der Mann schaute zu Amy hinüber und sah dann
Wolgast an. Er riss die Augen auf. »Scheiße. Das soll wohl ein Witz sein. Die
aus Homer drüben?«
»Er hat recht.« Luanne strahlte und zeigte auf
Amy. »Ich hab's im Fernsehen gesehen. Das ist das Mädchen. Du bist es, nicht
wahr, Schätzchen?«
»Da soll mich doch ...« Kirk stemmte sich von
seinem Hocker hoch. Es war still geworden. Alle Gäste sahen jetzt zu. »Die
State Police sucht sie überall. Wo haben Sie sie denn gefunden?«
»Wir sind diejenigen, die sie entführt haben«,
erklärte Wolgast. »Wir sind die Kidnapper. Ich bin Special Agent Wolgast, und
das ist Special Agent Doyle. Sagen Sie hallo, Phil.«
Doyle winkte matt herüber. »Hi.«
»Special Agent? Sie meinen, vom FBI?«
Wolgast zog seinen Ausweis aus der Tasche und
legte ihn auf die Theke, damit Kirk ihn sehen konnte. »Ist ziemlich schwer zu
erklären.«
»Und Sie haben
das Kind entführt.«
Wolgast nickte. »Wir möchten uns stellen,
Deputy. Sobald Sie fertig gefrühstückt haben.«
Einer der anderen Männer an der Theke kicherte.
»Oh, ich bin fertig«, sagte Kirk. Er hielt immer
noch Wolgasts Ausweis in der Hand und studierte ihn, als könne er nicht
glauben, was er da sah. »Leck mich am Arsch. Heilige Scheiße.«
»Na los, Kirk.« Der andere Mann lachte.
»Verhafte die beiden, wenn sie das wollen. Du weißt doch noch, wie das geht,
oder?«
»Halt mal die Klappe, Frank. Ich muss
nachdenken.« Kirk sah Wolgast betreten an. »Sorry, aber es ist 'ne Weile her.
Hauptsächlich grabe ich Brunnen. Ist ja nicht viel los hier, höchstens mal 'n
paar Besoffene und Ruhestörer, und so einer bin ich die halbe Zeit selber. Ich
hab nicht mal Handschellen oder so was.«
»Das macht nichts«, sagte Wolgast. »Wir können
Ihnen welche leihen.«
Er wies Kirk an, den Tahoe zu beschlagnahmen,
aber Kirk sagte, dazu müsse er später noch einmal zurückkommen. Sie lieferten
ihre Waffen ab und kletterten alle zusammen in Kirks Pick-up, um die drei
Blocks zum Rathaus zu fahren, einem zweigeschossigen Backsteinbau, über dessen
Eingang in großen Blockbuchstaben das Jahr 1854 stand. Die Sonne war
aufgegangen und badete die Stadt in einem flachen, gedämpften Licht. Als sie
aus dem Laster stiegen, hörte Wolgast in einer Gruppe von Pappeln mit zarten
grünen Knospen die Vögel singen. Er empfand eine Art beschwingte Fröhlichkeit
und erkannte, dass es Erleichterung war. Während der Fahrt in der engen Kabine
des Pick-ups hatte er Amy auf dem Schoß gehalten. Jetzt kniete er vor ihr und
legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Ich möchte, dass du alles tust, was der Mann
dir sagt, okay? Er wird mich in eine Zelle sperren, und wahrscheinlich werde
ich dich eine Zeitlang nicht wiedersehen.«
»Ich will bei dir bleiben«, sagte sie.
Er sah, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten,
und ein Kloß stieg ihm in die Kehle. Aber er wusste, dass er das Richtige tat.
Die Oklahoma State Police würde sehr bald in hellen Scharen hier einfallen,
sobald Kirk die Festnahme gemeldet hätte, und dann wäre Amy in Sicherheit.
»Ich weiß«, sagte er und lächelte, so gut er
konnte. »Alles wird gut werden. Das verspreche ich dir.«
Das Büro des Sheriffs lag im Keller. Kirk hatte
ihnen doch keine Handschellen angelegt, als er sah, wie fügsam sie waren. Er
brachte sie außen um
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