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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Hause bleiben, und dann würde Lila halbtags
in der Klinik arbeiten, während er wieder zum FBI zurückginge. Es war ein
verrückter Plan, voll von Problemen, die sie beide voraussahen, ohne viel
darüber zu reden. Irgendwie würden sie es schon schaffen.
    In der vierunddreißigsten Woche bekam Lila hohen
Blutdruck, und der Arzt verordnete ihr Bettruhe. Sie sagte Wolgast, er solle
sich keine Sorgen machen; der Blutdruck sei nicht so hoch, dass das Baby in Gefahr
sei. Sie sei schließlich Ärztin, und wenn es wirklich ein Problem gebe, werde
sie es ihm sagen. Er befürchtete, sie habe zu viel gearbeitet, und war froh,
sie zu Hause zu haben, wo sie wie eine Königin im Bett lag, mit lauter Stimme
die Treppe herunterrief und Mahlzeiten und Filme und Bücher verlangte.
    Eines Abends, drei Wochen vor dem Termin, kam er
nach Hause, und sie saß schluchzend auf der Bettkante und hielt sich den
schmerzenden Kopf.
    »Irgendetwas stimmt nicht«, sagte sie.
    Im Krankenhaus erfuhr Wolgast, ihr Blutdruck
betrage 160 zu 95, dieser Zustand werde als Präeklampsie bezeichnet. Daher
kämen die Kopfschmerzen. Sie befürchteten Krampfanfälle, sie sorgten sich um Lilas
Nieren und um die Gesundheit des Babys. Alle machten sehr ernste Gesichter,
besonders Lila, die grau vor Sorge war. Sie würden die Wehen einleiten müssen,
sagte ihr Arzt ihm. Eine vaginale Geburt sei das Beste in solchen Fällen, aber
wenn sie nach sechs Stunden nicht entbunden hätte, würde man einen
Kaiserschnitt machen müssen.
    Man hängte sie an einen Pitocin-Tropf und gab
ihr zusätzlich eine Magnesiumsulfat-Infusion, um Krämpfe zu verhindern.
Inzwischen war es nach Mitternacht. Das Magnesium, sagte die Schwester mit
nerviger Fröhlichkeit, werde ihr unangenehm sein. Inwiefern unangenehm?, fragte
Wolgast. Nun ja, sagte die Schwester, das sei schwer zu erklären, aber es werde
ihr nicht gefallen. Man schloss Lila an ein Wehengerät an, und danach warteten
sie alle.
    Es war furchtbar. Lila lag auf dem Bett und
stöhnte vor Schmerzen. Es klang anders als alles, was Wolgast je gehört hatte,
und es erschütterte ihn bis ins Mark. Wie winzige Feuerflammen fühlte es sich
an, sagte Lila, überall. Als habe ihr eigener Körper einen Hass auf sie. Noch
nie habe sie sich so schrecklich gefühlt. Ob es von dem Magnesium oder vom
Pitocin kam, wusste Wolgast nicht, und niemand antwortete auf seine Fragen. Die
Wehen setzten ein, hart und schnell hintereinander, doch die Hebamme sagte, der
Muttermund sei noch nicht genügend geweitet, nicht einmal annähernd. Zwei
Zentimeter, höchstens. Aber der Puls des Babys sei normal. Wie lange konnte das
so weitergehen?, fragte Wolgast sich. Sie waren in einem
Schwangerschaftsvorbereitungskurs gewesen. Niemand hatte ihnen allerdings
gesagt, dass es wie ein Autounfall in Zeitlupe sein würde.
    Endlich, kurz vor dem Morgengrauen, sagte Lila,
sie müsse pressen. Sie müsse. Niemand
glaubte, dass sie so weit war, aber der Arzt untersuchte sie und stellte
wundersamerweise fest, dass der Muttermund sich auf zehn Zentimeter geweitet
habe. Alle rannten umher, schoben die fahrbaren Gegenstände im Raum zurecht,
zogen frische Handschuhe an und klappten das Bett unterhalb von Lilas Becken
herunter. Wolgast fühlte sich nutzlos, wie ein steuerloses Schiff auf hoher
See. Er hatte Angst. Er hielt Lilas Hand, als sie presste, einmal, zweimal,
dreimal, und dann war es vorbei.
    Jemand hielt ihm eine abgeknickte Schere hin,
damit er die Nabelschnur durchschneiden könnte. Die Schwester hüllte Eva in
eine Wärmedecke und begann mit dem Apgar-Test. Dann setzte sie eine Mütze auf
das winzige Köpfchen und reichte Wolgast das Baby. Unglaublich! Plötzlich war
alles hinter ihnen, all der Schmerz, die Panik und die Sorge, und hier war
dieses funkelnde neue Wesen. Nichts in seinem Leben hatte ihn darauf
vorbereitet, auf dieses Baby, seine Tochter, in seinen Armen. Eva war klein;
sie wog nur fünf Pfund. Ihre Haut war warm und rosig - rosig wie ein
sonnenreifer Pfirsich -, und als er sein Gesicht an ihres schmiegte, verströmte
sie einen rauchigen Duft, als sei sie aus einem Feuer geholt worden. Sie
nähten Lila zu; sie war immer noch benommen von den Medikamenten. Wolgast sah
überrascht das Blut auf dem Boden, eine große, dunkel glänzende Pfütze unter
ihr. In dem ganzen Durcheinander hatte er nicht gesehen, wie sie entstanden
war. Aber Lila gehe es gut, sagte der Arzt. Wolgast zeigte ihr das Baby, und
dann hielt er Eva lange, lange Zeit im Arm und sprach

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