Cronin, Justin
Sonntag kennengelernt, als er auf den Schultern zweier nach
Turnhallenschweiß riechenden Freunde in die Notaufnahme gekommen war. Wolgast
war kein großer Basketballspieler; seit der Highschool hatte er überhaupt nicht
mehr gespielt, aber er hatte sich überreden lassen, bei einem
Wohltätigkeitsturnier mitzuspielen - drei gegen drei, halbe Spielfläche, so
einfach wie möglich. Wundersamerweise hatten sie zwei Runden überstanden, als
Wolgast zu einem Sprungwurf ansetzte und beim Landen ein schmatzendes Knacken
an seiner Achillessehne spürte. Er sank zu Boden - der Ball prallte kläglich
am Ring ab, was alles noch viel schlimmer machte -, und im selben Moment schossen
ihm vor Schmerz die Tränen in die Augen.
Der Arzt in der Notaufnahme befand auf
Sehnenriss und schickte ihn nach oben in die Orthopädie. Die Orthopädin war
Lila. Sie kam herein, schob sich den letzten Löffel Joghurt in den Mund, warf
den Becher in den Papierkorb und ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen,
und dabei sah sie ihn nicht ein einziges Mal an.
»So.« Sie trocknete sich die Hände ab und warf
einen munteren Blick auf seine Patientenkarte und dann auf Wolgast, der auf dem
Tisch saß. Sie war nicht das, was Wolgast auf den ersten Blick als hübsch im
klassischen Sinn bezeichnet hätte. Aber sie hatte etwas, das ihn stutzen ließ,
eine Art Dejá-vu.
Ihr Haar hatte die Farbe von Kakao und war zu einem
Knoten zusammengeschlungen, der von einem Stab gehalten wurde. Sie trug eine
schwarz geränderte Brille, sehr klein und weit vorn auf der schmalen Nase. »Ich
bin Dr. Kyle. Sie haben sich beim Basketball verletzt?«
Wolgast nickte belämmert. »Ich bin nicht das,
was Sie einen Sportler nennen würden«, gestand er. In diesem Augenblick meldete
sich ihr Piepser. Stirnrunzelnd warf sie einen raschen Blick darauf. Dann legte
sie mit ruhiger Präzision einen einzelnen ausgestreckten Finger auf die weiche
Stelle hinter dem dritten Zeh seines linken Fußes. »Drücken Sie dagegen.«
Er tat es - das heißt, er versuchte es. Der
Schmerz war so stark, dass ihm fast schlecht wurde. »Sie arbeiten wo?«
Wolgast schluckte. »Vollzugsdienst«, brachte er
hervor. »Mann, das hat wehgetan.«
Sie schrieb etwas auf die Karte.
»Vollzugsdienst«, wiederholte sie. »Das heißt Polizei?«
»FBI, genau gesagt.«
Er hoffte auf einen Funken Interesse in ihrem
Blick, aber er sah keinen. Sie trug keinen Ring an der linken Hand, doch das
brauchte nichts zu bedeuten; vielleicht nahm sie ihn in der Klinik ab.
»Ich werde Sie zum Röntgen schicken«, sagte sie,
»aber ich bin zu neunzig Prozent sicher, dass die Sehne gerissen ist.«
»Und das heißt?«
Sie zuckte die Achseln. »Operation. Ich will Sie
nicht anlügen. Ein Spaß ist es nicht. Acht Wochen Ruhigstellung, sechs Monate
bis zur vollen Wiederherstellung.« Sie lächelte betrübt. »Tut mir leid, aber
mit dem Basketball ist es vorbei.«
Sie gab ihm etwas gegen die Schmerzen, und
sofort wurde er schläfrig. Er bekam kaum etwas mit, als sie ihn zum Röntgen
fuhren. Als er die Augen aufschlug, stand Lila am Fußende seines Bettes. Jemand
hatte ihn mit einer Decke zugedeckt. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass
es fast neun Uhr abends war. Er war seit fast sechs Stunden im Krankenhaus.
»Sind Ihre Freunde noch hier?«
»Das bezweifle ich.«
Sie hatte die Operation für sieben Uhr am
nächsten Morgen angesetzt. Bevor er aufs Zimmer kam, musste er diverse
Formulare unterschreiben. Sie wollte wissen, ob es jemanden gebe, den er
anrufen müsse.
»Eigentlich nicht.« Er war immer noch ein
bisschen benommen von dem Vicodin. »Hört sich vermutlich ziemlich kläglich an.
Ich habe nicht mal eine Katze.«
Sie betrachtete ihn erwartungsvoll, als warte
sie darauf, dass er noch etwas sagte. Er war kurz davor, sie zu fragen, ob sie
sich schon einmal gesehen hätten, als sie das Schweigen plötzlich mit einem
strahlenden Lächeln beendete. »Gut«, sagte sie.
Ihr erstes Date, zwei Wochen nach der OP, war
ein Essen in der Cafeteria der Klinik. Wolgast - auf Krücken, das linke Bein
vom Knie bis zu den Zehen eingegossen in ein Gebilde aus Plastik und Klettband
- war gezwungen, am Tisch zu sitzen und zu warten wie ein Invalide, während sie
zum Büffet ging. Sie trug Krankenhauskleidung - sie hatte die ganze Nacht
Rufbereitschaft, erklärte sie, und würde in der Klinik schlafen -, aber er sah,
dass sie ein bisschen Lippenstift und Wimperntusche aufgetragen und sich das
Haar gebürstet
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