Cronin, Justin
Krise vor acht Tagen. »Es gibt eindeutige Hinweise
darauf, dass diese verheerende Epidemie keine natürlichen Ursachen hat,
sondern das Werk anti-amerikanischer Extremisten ist, die mit Unterstützung
unserer Feinde im Ausland auf amerikanischem Boden operieren«, sagte Präsident
Hughes einer verängstigten Bevölkerung. »Dies ist ein Verbrechen nicht nur
gegen das amerikanische Volk, sondern gegen die gesamte Menschheit.«
Gestern waren die ersten Erkrankungsfälle aus
Staaten gemeldet worden, die unmittelbar an Colorado grenzen. Nur wenige
Stunden vor seiner Rede hatte Hughes die Schließung der Grenzen Colorados
angeordnet und das Militär in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Außerdem
wurde auf Anordnung des Präsidenten der inländische sowie der internationale
Flugverkehr eingestellt. An den Verkehrsknotenpunkten herrschte Chaos, da
Tausende von gestrandeten Passagieren gezwungen waren, auf andere
Transportmöglichkeiten umzusteigen.
Präsident Hughes versuchte die Bevölkerung zu
beruhigen; er trat aber auch der zunehmenden Kritik entgegen, seine Regierung
habe zu langsam auf die Krise reagiert, und forderte das amerikanische Volk
auf, sich auf einen erbitterten Kampf einzustellen. »Ich bitte Sie heute Abend
um Ihr Vertrauen und um Ihre uneingeschränkte Unterstützung - beten Sie für
unser Land«, erklärte der Präsident in der landesweit übertragenen Ansprache.
»Wir werden nichts unversucht lassen, um die Verantwortlichen baldmöglichst
ihrer gerechten Strafe zuzuführen.«
Der Präsident ging nicht im Einzelnen darauf
ein, welche Gruppierungen und Staaten zum Gegenstand bundespolizeilicher
Ermittlungen gemacht würden. Er verweigerte zum jetzigen Zeitpunkt auch jeden
weiteren Kommentar zu den Hinweisen, dass es sich bei der Epidemie um das Werk
von Terroristen handeln könne. Auf die Frage nach möglichen militärischen
Schritten erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Tim Romer: »Im Augenblick
schließen wir gar nichts aus.«
Berichte lokaler Behörden in Colorado lassen
vermuten, dass dort bereits fünfzigtausend Todesfälle zu verzeichnen sind.
Unklar ist allerdings, wie viele Menschen der Krankheit zum Opfer gefallen sind
und wie viele bei gewalttätigen Angriffen durch Infizierte zu Tode kamen. Zu
den ersten Symptomen einer Infektion gehören Schwindel, Erbrechen und hohes
Fieber. Nach einer kurzen - nur sechs Stunden dauernden - Inkubationszeit kommt
die Erkrankung zum Ausbruch und äußert sich in vielen Fällen in einer
deutlichen Zunahme von Körperkraft und Aggressivität. »Die Patienten geraten in
Raserei und töten jeden«, berichtete ein Vertreter der Gesundheitsbehörden von
Colorado, der nicht namentlich genannt sein möchte. »In den Krankenhäusern geht
es zu wie in einem Kriegsgebiet.«
Shannon Freeman, Sprecherin der
Seuchenschutzbehörde in Atlanta, bezeichnete solche Berichte als »reine
Hysterie«, räumte aber ein, dass die Kommunikation mit den Behörden innerhalb
des Quarantänegebiets zusammengebrochen sei.
»Wir wissen nur, dass die Mortalitätsrate extrem
hoch ist - bei etwa fünfzig Prozent«, sagte Freeman. »Darüber hinaus können wir
nichts Näheres dazu sagen, was in Colorado vorgeht. Im Augenblick kann man
eigentlich nur jedem raten, zu Hause zu bleiben.« Freeman bestätigte Berichte
vom Ausbruch der Seuche in Nebraska, Utah und Wyoming, wollte darauf aber nicht
weiter eingehen. »Das scheint der Fall zu sein«, erklärte sie und fügte hinzu:
»Wer glaubt, mit dem Erreger in Berührung gekommen zu sein, sollte sich
umgehend an die nächste Polizeidienststelle oder an die Notaufnahme des
Krankenhauses wenden. Das ist zur Zeit unser Rat an die Bevölkerung.«
Die Städte Denver, Colorado Springs und Fort
Collins, für die der Ausnahmezustand ausgerufen worden war, waren gestern Abend
menschenleer. Die Einwohner hatten sich nicht an die Aufforderung des
Gouverneurs gehalten, sich »an Ort und Stelle« in Sicherheit zu bringen.
Stattdessen flohen sie massenhaft aus den Städten. Weitverbreitete Gerüchte,
denen zufolge Streitkräfte des Heimatschutzministeriums den Befehl hätten,
Flüchtlinge mit gezieltem Schusswaffeneinsatz von der Bundesstaatengrenze
fernzuhalten, konnten nicht bestätigt werden, ebenso wenig wie Berichte
darüber, dass Einheiten der Nationalgarde von Colorado begonnen hätten, die
Patienten aus den Krankenhäusern zu evakuieren und an einen unbekannten Ort zu
schaffen.
Es gab noch mehr. Wolgast las es wieder und
wieder. Sie
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