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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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schiefgehen.
Aber verlass dich nicht drauf.«
    »Dann hast du schon mal so ein Gewehr benutzt.«
    »Habe ich das gesagt?«
    Peter wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter
zu bohren. Zwölf Kisten mit Army-Gewehren. Wie sollte Alicia da widerstehen?
»Wem gehören die Dinger?«
    »Woher soll ich das wissen? Soweit ich sehe,
sind sie Eigentum des United States Marine Corps, wie es auf den Kisten steht.
Hör auf mit der Fragerei, und lass uns gehen.«
    Sie traten wieder durch die Luke und stiegen die
Treppe hinauf. Mit jeder Stufe wurde es wärmer. Zehn Meter weiter oben
erreichten sie eine kleine Plattform mit einer weiteren Leiter, und in der
Decke über ihren Köpfen war eine weitere Luke. Alicia stellte die Laterne auf
die Plattform, reckte sich auf den Zehenspitzen hoch und drehte an dem Rad.
Sie schwitzten beide wie verrückt. Die Luft war so stickig, dass sie fast nicht
atmen konnten. »Sie klemmt.«
    Er hob die Arme und half ihr. Mit einem
Quietschen gab der Mechanismus nach. Zwei Drehungen, drei, und dann klappte
die Luke an ihren Scharnieren herunter. Kühle Nachtluft floss wie ein
Wasserschwall durch die Öffnung herunter. Sie roch nach Wüste, trockenen
Zypressen und Büffelgras. Über sich sah Peter nichts als ein tiefes Schwarz.
    »Ich gehe zuerst«, sagte Alicia. »Ich rufe
dich.«
    Sie stieg nach oben, und kurz darauf hörte er,
wie ihre Schritte sich entfernten. Er lauschte, mit einem Mal war es still. Sie
war irgendwo auf dem Dach, und es gab kein Licht, das sie schützte. Er zählte
bis zwanzig, bis dreißig. Sollte er ihr folgen?
    Dann erschien Alicias Gesicht über ihm in der
offenen Luke. »Lass die Laterne unten. Alles klar. Komm hoch.«
    Er stieg die Leiter hinauf, holte tief Luft und
trat nach draußen.
    Unter die Sterne.
    Zuerst war es wie ein Schlag vor die Brust, der
die Luft aus seiner Lunge presste, ein Gefühl von nackter Panik, als sei er ins
Nichts hinausgetreten, in den Nachthimmel. Seine Knie gaben nach, und mit der
freien Hand griff er in die Luft, um sich irgendwo festzuhalten und ein Gefühl
für Form und Gewicht zu finden, für die gültigen Dimensionen der Welt um ihn
herum. Der Himmel über ihm war ein schwarzes Gewölbe - und überall waren
Sterne!
    »Peter, atmen«, sagte Alicia.
    Er merkte, dass ihre Hand auf seiner Schulter
lag. In der Dunkelheit schien Alicias Stimme aus nächster Nähe und zugleich aus
weiter Ferne zu kommen. Er tat, was sie sagte, und sog die Nachtluft tief in
seine Brust. Nach und nach passten seine Augen sich an. Jetzt konnte er die
Dachkante erkennen, und dahinter das Nichts. Sie waren an der südwestlichen
Ecke, erkannte er, in der Nähe des Abluftauslasses.
    »Und - was sagst du?«
    Er schwieg eine ganze Weile und ließ den Blick
über den Himmel wandern. Je länger er hinsah, desto mehr Sterne erschienen. Sie
drangen durch die Finsternis. Das waren die Sterne, von denen sein Vater
erzählt hatte, die Sterne, die er auf den Langen Ritten gesehen hatte.
    »Weiß Theo davon?«
    Alicia lachte. »Weiß Theo wovon?«
    »Von der Luke. Den Gewehren.« Er zuckte hilflos
die Achseln. »Von allem.«
    »Ich hab es ihm nie gezeigt, wenn du das meinst.
Ich nehme an, dass Zander es weiß, denn er kennt jeden Zollbreit hier. Aber zu
mir hat er nie ein Wort darüber verloren.«
    Sein Blick suchte ihr Gesicht. Im Dunkeln
erschien sie irgendwie verändert. Sie war die Alicia, die er schon immer
gekannt hatte, aber sie war auch jemand Neues. Er begriff, was sie getan hatte:
Sie hatte das alles für ihn aufgehoben.
    »Danke.«
    »Bilde dir deswegen bloß nicht ein, dass du was
Besondres bist oder so was. Wenn Ado vor dir aufgewacht wäre, dann stände er jetzt hier.« Das stimmte nicht, und das wusste er.
»Trotzdem«, sagte er.
    Sie führte ihn an den Rand des Daches. Der Blick
ging nach Norden über das leere Tal. Es war völlig windstill. Die Umrisse der
Berge auf der anderen Seite hoben sich dunkel vom Himmel ab und ragten hinauf
in den schimmernden Sternenkranz. Sie legten sich nebeneinander bäuchlings auf
den noch sonnenwarmen Beton.
    »Hier.« Alicia nahm etwas aus ihrem Beutel. »Das
brauchst du.«
    Ein Nachtsichtgerät. Sie zeigte ihm, wie man es
oben auf dem Gewehr anbrachte und einstellte. Peter schaute schon durch das
Okular und sah eine von fahlgrünem Licht übergossene Landschaft aus Büschen und
Steinen, geteilt von einem Fadenkreuz. Am unteren Rand des Bildes sah er eine
Anzeige: 212 Meter. Die Zahl stieg an und nahm ab, wenn er den Lauf hin und

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