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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Sams Augen glühte rechtschaffener Zorn, als
er Alicia anstarrte. Die Armbrust an ihrer Seite hatte sich nicht bewegt, doch
das brauchte sie auch nicht. Peter, der hinter den beiden Männern stand, hatte
immer noch die Hand auf dem Messergriff liegen. Alle andern hatten sich
zurückgezogen.
    »Sam«, meldete sich Dale wieder zu Wort. »Bitte. Geh einfach nach Hause.«
    Milo wollte Sam beim Ellenbogen fassen, aber Sam
riss seinen Arm weg. Er wirkte verdattert, als habe Milos Berührung ihn aus
einer wütenden Trance gerissen.
    »Schon gut, schon gut. Ich komme ja.«
    Erst als die beiden Männer im Gewirr der
Wohnwagen verschwunden waren, ließ Peter die angehaltene Luft aus seiner Lunge
entweichen. Noch vor einem Tag hätte er so etwas niemals für möglich gehalten:
dass diese Leute - Leute, die er kannte, die ihre Arbeit taten und ihr Leben
lebten und ihre Kinder in der Zuflucht besuchten - durch Angst in einen Mob
verwandelt werden konnten. Und Sam Chou - noch nie hatte er den Mann so wütend
gesehen. Er hatte ihn überhaupt noch nie wütend gesehen.
    »Zum Teufel, Dale«, sagte Alicia. »Wann hat das
angefangen?«
    »Eigentlich sofort nachdem sie Caleb hergebracht
hatten.« Erst jetzt, da sie allein waren, begriff Dale das ganze Ausmaß dessen,
was passiert war - oder beinahe passiert wäre. Er sah aus wie ein Mann, der aus
großer Höhe abgestürzt war und jetzt feststellte, dass er wie durch ein Wunder
unverletzt geblieben war.
    »Meine Güte, ich dachte anfangs, ich muss sie
reinlassen. Ihr hättet hören sollen, was sie sagten, bevor ihr gekommen seid.«
    Aus dem Gefängnis kam Calebs Stimme. »Lish? Bist
du das?«
    Alicia rief zu den Fenstern hinauf. »Halt
durch!« Sie sah Dale an. »Geh und hol noch ein paar Wächter dazu. Ich weiß
nicht, was Jimmy sich gedacht hat, aber hier draußen sind mindestens drei
nötig. Peter und ich können aufpassen, bis du zurückkommst.«
    »Lish, du weißt, dass ich das nicht tun darf.
Sanjay reißt mir den Arsch auf. Du gehörst nicht mal mehr zur Wache.«
    »Vielleicht nicht, aber Peter schon. Und seit
wann nimmst du Befehle von Sanjay entgegen?«
    »Seit heute Morgen.« Er sah sie verwirrt an.
»Jimmy hat es gesagt. Sanjay hat... wie nennt man das? Er hat den Notstand
ausgerufen.«
    »Das wissen wir. Aber das bedeutet nicht, dass
Sanjay zu befehlen hat.«
    »Das sagst du besser Jimmy. Er scheint es zu
glauben. Und Galen auch.«
    »Galen? Was hat Galen damit zu tun?«
    »Habt ihr es nicht gehört?« Dale schaute
zwischen den beiden hin und her. »Vermutlich nicht. Galen ist jetzt Second
Captain.«
    »Galen Strauss?«
    Dale zuckte die Achseln. »Ich verstehe es auch
nicht. Jimmy hat einfach alle zusammengetrommelt und uns mitgeteilt, dass
Galen jetzt deinen Posten hat, und Ian hat Theos.«
    »Und Jimmy? Wenn er jetzt zum First Captain
aufgestiegen ist, wer hat dann seinen Posten als Second?«

»Ben Chou.«
    Ben und Ian - das konnte Peter verstehen. Beide
hatten zur Beförderung angestanden. Aber Galen?
    »Gib mir den Schlüssel, Dale«, sagte Alicia.
»Hol noch zwei Wächter. Aber keine Captains. Geh Soo suchen, und wenn du sie
findest, sag ihr, was ich dir gesagt habe.«
    »Ich weiß nicht, wer dann ...«
    »Ich mein's ernst, Dale«, fauchte Alicia. »Geh
einfach.«
    Sie schlossen das Gefängnis auf und traten ein.
Der Innenraum war leer, ein kahler Betonkasten. Alte Toilettenkabinen, deren
Installationen vor langer Zeit herausgerissen worden waren, standen an der
einen Wand. Gegenüber war eine Rohrleitung, und darüber hing ein langer
Spiegel, matt und von feinen Rissen durchzogen.
    Caleb saß auf dem Boden unter den Fenstern. Sie
hatten ihm einen Krug Wasser und einen Eimer gegeben, sonst nichts. Lish lehnte
ihre Armbrust an eine der Kabinen und hockte sich vor ihm hin.
    »Sind sie weg?«, fragte er.
    Alicia nickte. Peter sah, wie verängstigt der
Junge war. Anscheinend hatte er geweint.
    »Ich bin im Arsch, Lish. Sanjay schmeißt mich
ganz bestimmt raus.«
    »Dazu wird es nicht kommen. Das verspreche ich
dir.«
    Seine Nase lief. Er wischte sie mit dem
Handrücken ab. Sein Gesicht und seine Hände waren dreckig, und unter seinen
Fingernägeln waren schwarze Schmutzränder. »Was kannst du denn machen?«
    »Das lass meine Sorge sein.« Sie zog ein Messer
aus ihrem Gürtel. »Kannst du damit umgehen?«
    »Verdammt, Lish. Was soll ich mit einem Messer?«
    »Nur für alle Fälle. Kannst du es?«
    »Ich kann ein bisschen schnitzen. Nicht sehr
gut.«
    Sie drückte es ihm in

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