Cronin, Justin
der
Dunkelheit, und das einzige Licht kam von einer Kerze auf einem kleinen Teller
neben dem Bett. Wortlos trat er näher; niemand sonst war im Raum. Seine Mutter
rührte sich und sah zu ihm hin. Sie war jung und gesund, und er war froh, so
froh, sie wiederzusehen.
Gib acht auf deinen Bruder, Theo.
- Mama, sagte er, ich bin Peter.
Er ist nicht stark wie du.
Stimmen von draußen rissen ihn aus seinen
Gedanken, und die Tür öffnete sich klappernd. Sara kam herein. Die Laterne
baumelte an ihrer Hand.
»Peter? Alles okay mit dir?«
Er blinzelte in der plötzlichen Helligkeit, und
es dauerte einen Moment, bis er wieder wusste, wo er war. Er spürte, dass er
nur eine Minute geschlafen hatte, aber es kam ihm trotzdem länger vor. Schon
war die Erinnerung und der Traum, den sie hervorgebracht hatte, wieder fort.
»Ich habe nur ... ich weiß nicht ...« Weshalb
entschuldigte er sich? »Ich glaube, ich bin eingedöst.«
Sara hantierte mit der Laterne herum und schob
einen kleinen Rollwagen an das Bett. Das Mädchen saß aufrecht, wachsam und
aufmerksam.
»Wie hast du Dale dazu gekriegt, dich
reinzulassen?«
»Oh, Dale ist schon in Ordnung.«
Sara setzte sich zu dem Mädchen aufs Bett und
öffnete ihre Tasche, um ihr zu zeigen, was sie mitgebracht hatte: Fladenbrot,
einen Apfel, ein Stück Käse.
»Hungrig?«
Das Mädchen aß schnell und vertilgte alles mit
flinken Bissen - zuerst das Brot, dann den Käse, an dem sie misstrauisch
schnupperte, bevor sie ihn probierte, und schließlich den Apfel bis auf das
Kerngehäuse. Als sie fertig war, wischte sie sich mit dem Handrücken über das
Gesicht und verschmierte den Saft auf den Wangen.
»Tja, ich schätze, damit ist alles klar«, befand
Sara. »Nicht die besten Tischmanieren, die ich je gesehen habe, aber dein
Appetit ist ganz normal. Ich sehe mir jetzt deinen Verband an, okay?«
Sara knöpfte das Nachthemd auf und zog es zur
Seite, um sich die verbundene Schulter anzusehen. Alles andere ließ sie
bedeckt. Dann schnitt Sara mit einer Schere den Verband auf. Wo der Bolzen
eingedrungen war und Haut, Muskeln und Knochen durchschlagen hatte, war nichts
als eine kleine, rosarote Vertiefung zu sehen. Peter musste an ein Baby denken,
an weiche, frische neue Haut.
»So schnell sollten alle meine Patienten wieder
gesund werden. Gibt wohl keinen Grund, die Fäden noch drinzulassen. Dreh dich
um, damit ich mit der anderen Seite anfangen kann.«
Folgsam drehte das Mädchen sich auf dem Bett
herum. Sara nahm eine Pinzette, zog die Fäden und warf sie einen nach dem
andern in eine Metallschale.
»Weiß sonst noch jemand davon?«, fragte Peter.
»Von dieser schnellen Heilung? Ich glaube
nicht.«
»Seit heute Nachmittag war also niemand mehr
hier?«
Sie trennte den letzten Faden und zog ihn
heraus. »Nur Jimmy.« Sie zog das Hemd wieder über die Schulter. »So, das
war's.«
»Jimmy? Was wollte er?«
»Das weiß ich nicht. Ich nehme an, Sanjay hat
ihn geschickt.« Sie sah ihn an. »Es war ziemlich merkwürdig, ehrlich gesagt.
Ich habe nicht gehört, wie er hereinkam. Als ich hinschaute, stand er
plötzlich in der Tür mit diesem ... diesem Gesicht.«
»Mit diesem Gesicht?«
»Ich weiß nicht, wie ich seinen Ausdruck
beschreiben soll. Ich habe ihm gesagt, dass sie noch kein Wort gesagt hat, und
da ist er wieder gegangen. Aber das ist schon ein paar Stunden her.«
Peter war plötzlich beunruhigt. Warum hatte er
so ein Gesicht gemacht? Was hatte Jimmy gesehen?
Sara griff wieder zur Pinzette. »Okay, jetzt
bist du an der Reihe.«
Womit?, wollte Peter fragen, aber dann fiel es
ihm ein: sein Ellenbogen. Der Verband war inzwischen zu einem schmutzigen
Lumpen verschlissen. Vermutlich war der Schnitt inzwischen verheilt; er hatte
seit Tagen nicht danach geschaut.
Er setzte sich auf eine der leeren Pritschen.
Sara wickelte den Verband ab. Der saure Geruch von ungewaschener Haut stieg
auf.
»Hast du dich da überhaupt nicht gewaschen?«
»Ich glaube, ich hab's vergessen.«
Sie nahm seinen Arm und beugte sich mit der
Pinzette darüber. Peter spürte, dass das Mädchen sie aufmerksam beobachtete.
»Gibt's was Neues von Michael?« Er fühlte einen
stechenden Schmerz, als sie den ersten Faden herauszog.«Autsch! Pass doch auf!«
»Es würde helfen, wenn du stillhalten könntest.«
Sara zuckte die Achseln, ohne ihn anzusehen, und arbeitete weiter. »Ich bin am
Lichthaus vorbeigegangen, als ich herkam. Er arbeitet immer noch. Elton hilft
ihm.«
»Elton? Ist das
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