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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Sein Herz
klopfte in der Brust wie ein großes, eingesperrtes Tier. Er stolperte mit
seinem ganzen Gewicht rücklings gegen einen Glasschrank, und der Inhalt fiel
hinter ihm von den Regalen. Jemand war durch den Vorhang gekommen, eine Gestalt
am Rande seines Gesichtsfeldes. Dale Levine.
    »Was zum Teufel geht hier vor?«
    Peter schluckte und versuchte zu antworten. Dale
stand am Vorhang und sah verwirrt aus; offenbar gelang es ihm nicht, sich einen
Reim auf die Szene vor ihm zu machen. Er sah das Mädchen an, das mit der
Schüssel zu seinen Füßen auf der Pritsche saß, und wandte sich dann wieder an
Peter.
    »Sie ist wach? Ich dachte, sie stirbt.«
    Endlich fand Peter seine Sprache wieder. »Du
darfst es ... niemandem erzählen.«
    »Verdammt, Peter! Weiß Jimmy davon?«
    »Ich mein's ernst.« Er wusste plötzlich, dass er
losheulen würde, wenn er diesen Raum nicht sofort verließe. »Du darfst
niemandem was sagen.«
    Er drehte sich um und stürmte so hastig an Dale
vorbei, dass er ihn fast umgestoßen hätte. Durch den Vorhang, zur Tür hinaus,
die Treppen hinunter auf den beleuchteten Platz, und noch immer hielt der Fluss
der Worte seine Gedanken gefangen - sie vermisst dich sie
vermisst dich -, und alles verschwamm in den Tränen,
die ihm in die Augen stiegen.
     
    34
     
    Für Mausami Patal begann die Nacht in der
Zuflucht.
    Sie saß allein im Großen Saal und versuchte,
sich selbst das Stricken beizubringen. Alle Pritschen und Gitterbettchen waren
hinausgeschafft worden. Die Kinder schliefen jetzt oben. Das zerbrochene
Fenster war mit Brettern vernagelt worden; man hatte die Scherben weggefegt und
die Wände und sämtliche Flächen mit Alkohol geschrubbt. Der Geruch würde noch
tagelang in der Luft hängen.
    Eigentlich sollte sie nicht hier sein. Der
Alkoholdunst trieb ihr die Tränen in die Augen. Der arme Arlo, dachte Maus.
Und Hollis, der seinen Bruder einfach hatte töten müssen - obwohl es ein Glück
war, dass er es getan hatte. Und natürlich war Arlo nicht mehr wirklich Arlo
gewesen, genau wie Theo, wenn er noch da draußen war, nicht mehr Theo wäre.
Das Virus nahm die Seele weg. Den Menschen, den man liebte.
    Sie saß in einem alten Schaukelstuhl, den sie im
Lager gefunden hatte. Daneben hatte sie einen kleinen Tisch aufgestellt, auf
dem die Laterne stand, sodass sie genug Licht zum Arbeiten hatte. Leigh hatte
ihr gezeigt, wie man einfache Maschen strickte. Anfangs war es kinderleicht gewesen,
aber irgendwann war sie auf ein falsches Gleis geraten. Die Maschen waren nicht
gleichmäßig, und wenn sie die Wolle um die Nadel schlingen wollte, wie Leigh es
ihr gezeigt hatte, war ihr linker Daumen im Weg. So saß sie hier, eine Frau,
die in weniger als einer Sekunde den Bolzen auf die Armbrust legen und in
weniger als fünf ein halbes Dutzend Pfeile mit dem Langbogen in die Luft
schießen konnte - aber ein Paar Babysocken zu stricken, überstieg anscheinend
ihre Fähigkeiten. Sie war so abwesend, dass das Wollknäuel zweimal von ihrem
Schoß auf den Boden und quer durch den Raum gekullert war, und als sie es
wieder aufgerollt hatte, wusste sie nicht mehr, wo sie gewesen war, und musste
von vorn anfangen.
    Zum Teil konnte sie es einfach nicht fassen, dass
Theo verschwunden sein sollte. Sie hatte vorgehabt, ihm auf dem Ritt von dem
Baby zu erzählen, gleich in der ersten Nacht im Kraftwerk. In diesem Labyrinth
von Räumen mit dicken Wänden und dicht verschlossenen Türen wäre es einfach
gewesen, einen Augenblick mit ihm allein zu sein. Wenn sie ehrlich sein sollte,
war die ganze Situation nur aus diesem Grund entstanden.
    Galen zu heiraten - warum hatte sie es getan? In
gewisser Weise war es grausam, denn er war kein schlechter Mensch. Es war kaum
seine Schuld, dass sie ihn nicht liebte, ja nicht einmal mehr besonders mochte.
Nicht mehr. Ein Bluff. Das war es gewesen. Um Theo aufzurütteln. Und als sie
ihm in jener Nacht auf der Mauer gesagt hatte, vielleicht werde ich Galen
Strauss heiraten, und als Theo geantwortet hatte, gut, wenn du es willst, und
wenn es dich glücklich macht, da hatte sich dieser Bluff in etwas anderes
verwandelt: in etwas, das sie tun musste, um
ihm zu beweisen, dass er sich irrte. Dass er sich in ihr irrte, in sich selbst,
überhaupt in allem. Es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musste handeln. Sie durfte sich nicht davon abhalten lassen. Eine
Glanzleistung der Sturheit, das war es gewesen, als sie Galen Strauss
heiratete, und alles nur wegen Theo Jaxon.
    Eine Zeitlang, den

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