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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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größten Teil des Sommers
hindurch und bis in den Herbst hinein, hatte sie sich bemüht, eine gute Ehe zu
führen. Sie hatte gehofft, sich zu den richtigen Gefühlen zwingen zu können,
und eine Zeitlang war es ihr fast gelungen, weil die schlichte Tatsache ihrer
Existenz Galen anscheinend so glücklich machte. Sie gehörten beide zur Wache,
und deshalb sahen sie einander nicht allzu oft und nicht eben regelmäßig.
Tatsächlich war es sogar ziemlich leicht, ihm aus dem Weg zu gehen, weil er
meist in der Tagschicht Dienst hatte - ein subtiler, aber unmissverständlicher
Hinweis darauf, dass er in seiner Klasse der Schlechteste gewesen war und mit
seinen Augen im Dunkeln sowieso nicht zu gebrauchen war. Manchmal, wenn er sie
ansah und blinzelte, wie es seine Art war, fragte sie sich, ob sie wirklich das
Mädchen war, das er liebte. Vielleicht sah er irgendeine andere Frau, eine, die
er sich ausgedacht hatte.
    So hatte sie einen Weg gefunden, ihn fast nie
mehr in ihre Nähe kommen zu lassen.
    Fast - denn es war ja nicht möglich, nicht bei ihrem Mann zu schlafen. Ist
er zärtlich zu dir?, hatte ihre Mutter
gefragt. Ist er liebevoll? Kümmert es ihn, was mit dir
passiert? Mehr will ich nicht wissen. Aber Galen war nur zu
gern zärtlich. Ich kann es nicht glauben!, sagten sein Gesicht und sein ganzer
Körper. Ich kann nicht glauben, dass du mir gehörst! Was sie nicht tat. Wenn
Galen im Dunkeln auf ihr schnaufte und keuchte, war sie meilenweit weg. Je mehr
er sich anstrengte, ein Ehemann zu sein, desto weniger fühlte sie sich bei ihm
wie eine Ehefrau, und irgendwann - das war das Üble daran, das, was ihr selbst
so unfair erschien - hatte sie gemerkt, dass sie ihn tatsächlich nicht leiden
konnte. Als der erste Schnee fiel, malte sie sich unversehens aus, wie es wäre,
wenn sie einfach die Augen schließen und ihn aus der Welt zaubern könnte. Was
nur dazu führte, dass Galen sich noch mehr anstrengte und sie ihn noch weniger
mochte.
    Wusste er denn nicht, dass das Kind nicht von
ihm war? Konnte der Mann nicht rechnen?
    Schön, sie hatte bei den Daten gemogelt. An dem
Morgen, als er sie dabei ertappt hatte, wie sie sich nach dem Frühstück über
dem Komposthaufen übergab, da hatte sie von drei Perioden gesprochen, obwohl
es in Wirklichkeit nur zwei gewesen waren. Drei, und das Kind war von Galen.
Zwei, und es war nicht von ihm. In dem Monat, als sie schwanger geworden war,
hatte Galen nur einmal mit ihr geschlafen; ansonsten hatte sie sich immer
unter irgendeinem Vorwand, den sie vergessen hatte, davor gedrückt. Nein, für
Mausami war das Wann und Wer völlig klar. Es war unten im Kraftwerk passiert;
Theo war da gewesen, Alicia und Dale Levine. Sie waren alle vier lange auf
gewesen und hatten im Kontrollraum Karten gespielt, dann waren Alicia und Dale
ins Bett gegangen, und ehe sie sich versah, hatte sie mit Theo allein
dagesessen, zum ersten Mal, seit sie verheiratet war. Sie hatte angefangen zu
weinen, selbst überrascht davon, wie sehr sie es wollte und wie zahlreich ihre
Tränen flossen. Theo hatte sie in den Arm genommen und getröstet, und auch das
hatte sie gewollt. Beide hatten beteuert, wie leid es ihnen tue, und danach
hatte es keine dreißig Sekunden mehr gedauert. Sie hatten keine Chance gehabt.
    Danach hatte sie ihn kaum noch gesehen. Sie
waren am nächsten Morgen zurückgeritten, und das Leben hatte seinen normalen
Lauf genommen - obwohl es keineswegs normal war. Sie war jetzt ein Mensch mit
einem Geheimnis. Wie ein warmer Stein hatte es in ihr geruht, ein geheimes,
leuchtendes Glück. Sogar Galen schien die Veränderung zu bemerken. Es freut mich,
sagte er, dass deine Stimmung sich gebessert hat. Schön, dich lächeln zu sehen.
(Am liebsten hätte sie es ihm erzählt und ihn an ihrer Freude teilhaben lassen,
was natürlich völlig absurd und abwegig war.) Sie wusste nicht, was passieren
würde, und sie dachte auch nicht darüber nach. Als ihre Periode ausblieb, nahm
sie kaum Notiz davon. Ihre Tage waren alles andere als regelmäßig; das war immer
schon so gewesen. Sie konnte immer nur an den nächsten Ritt zum Kraftwerk
denken, wo sie wieder mit Theo Jaxon schlafen könnte. Natürlich sah sie ihn
auf der Mauer und bei der Abendversammlung, aber das war nicht das Gleiche;
beides war weder der Zeitpunkt noch der Ort, um einander zu berühren oder auch
nur miteinander zu reden. Sie würde warten müssen. Doch sogar dieses Warten,
das quälend langsame Dahinkriechen der Tage - das Datum des nächsten

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