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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Pult lag, hatte er anscheinend nicht bemerkt und auch
nicht den offenen Slot an der Kontrolltafel mit den bunten Drähten und
freiliegenden Schaltkreisen und nicht den Lötkolben, der danebenstand.
    »Ich mein's ernst, Elton. Wenn du schlafen
willst, geh nach hinten.«
    Der alte Mann zuckte zusammen und erwachte zum
Leben. Seine Finger spannten sich um die Armlehnen. Er wandte Michael sein
blindes, starres Gesicht zu.
    »Ja. Sorry.« Er rieb sich das Gesicht. »Hast du
es verlötet?«
    »Gleich. Jetzt mal im Ernst, Elton - du bist
hier nicht allein. Wann hast du dich das letzte Mal gewaschen?«
    Der alte Mann antwortete nicht. Wenn Michael es
sich recht überlegte, sah er selbst auch nicht besonders vorzeigbar aus -
nicht dass die Maßstäbe, was Elton betraf, allzu hoch waren. Aber der Alte war
unbestreitbar verschwitzt, ausgelaugt und irgendwie ein wenig weggetreten.
Michael beobachtete, wie Eltons Hand langsam zum Pult wanderte und mit den
Fingern suchend umhertastete, bis sie auf seinem Kopfhörer landeten, ohne ihn
aufzuheben.
    »Alles mit dir okay?«
    »Hmmm?«
    »Du siehst nicht gut aus, das ist alles.«
    »Ist das Licht an?«
    »Seit einer Stunde. Wie fest hast du
geschlafen?«
    Elton leckte sich mit schwerer Zunge über die
Lippen.Was war da? Etwas zwischen seinen Zähnen?
    »Vielleicht hast du recht. Vielleicht lege ich
mich wirklich hin.«
    Schwerfällig kam der alte Mann auf die Beine und
schlurfte durch den schmalen Gang, der vom Arbeitsraum in den hinteren Teil der
Baracke führte. Michael hörte das Knarren der Federn, als die massige Gestalt
auf die Pritsche sank.
    Na, zumindest roch es jetzt nicht mehr ganz so
schlimm.
    Michael wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Er
hatte recht gehabt, was das Ding im Nacken des Mädchens anging. Der Sender war
mit einem Speicherchip verbunden, einer Art Flashdrive, aber anders als alle,
die er bisher gesehen hatte: viel kleiner und ohne sichtbare Ports bis auf zwei
winzige goldene Kontaktstifte. Der eine steckte im Sender, der andere an dem
Filigran der feinen Drähte mit den periförmigen Enden. Diese Drähte waren also
entweder Antennen, und der Transmitter versendete Daten vom Chip, was ihm
unwahrscheinlich erschien. Oder sie waren eine Art Sensoren für die Daten, die
der Chip dann aufzeichnete. Um Gewissheit darüber zu haben, musste er lesen,
was auf dem Chip gespeichert war. Und das ging nur auf eine Weise: Er musste
den Chip mit der Speicherplatine des Mainframes hartverdrahten.
    Das war riskant. Michael verband eine unbekannte
Schaltung mit dem Steuerpult. Vielleicht würde das System es nicht bemerken.
Aber vielleicht würde das System auch abstürzen, und die Scheinwerfer würden
ausgehen. Am klügsten wäre es wahrscheinlich, bis zum Morgen zu warten. Doch
inzwischen hatte seine Arbeit eine Eigendynamik entwickelt, und sein Gehirn
hatte sich in das Problem verbissen wie ein Eichhörnchen in eine Nuss. Er hätte
nicht mehr warten können, selbst wenn er es gewollt hätte.
    Als Erstes würde er den Mainframe vom Netz
nehmen müssen. Das bedeutete, dass die Controller abgeschaltet und die
Scheinwerfer direkt aus den Akkus gespeist wurden. Das konnte man eine Zeitlang
tun, aber nicht sehr lange; wenn das System den Stromzufluss nicht überwachte,
konnte jede Spannungsschwankung einen Unterbrechungsschalter aktivieren. Er
würde also schnell arbeiten müssen, wenn der Mainframe einmal offline wäre.
    Er holte tief Luft und rief das Systemmenü auf.
    Herunterfahren?
    Er tippte: J
    Die Festplatte lief surrend aus. Michael sprang
von seinem Stuhl auf und rannte quer durch den Raum zum Unterbrecherkasten.
Keiner der Schalter bewegte sich.
    Sofort machte er sich an die Arbeit. Er zog das
Motherboard heraus, legte es auf das Pult unter die Lupe, nahm den Lötkolben in
die eine Hand und ein Stück Lötzinn in die andere. Er hielt den Zinn an die
Spitze des Lötkolbens - ein Rauchfädchen kräuselte sich in die Luft -, und ein
einzelner Tropfen fiel auf die freie Leiterbahn auf dem Motherboard.
    Bingo.
    Er fasste den Chip mit der Pinzette. Es musste
auf Anhieb klappen; er hatte nur einen Versuch. Er umfasste sein rechtes
Handgelenk mit der Linken, senkte die blanken Kontakte des Chips in den Lötzinn
und hielt ihn dort bewegungslos fest. Er zählte bis zehn, während die Perle aus
flüssigem Zinn sich abkühlte und erstarrte.
    Erst jetzt atmete er wieder. Er schob das Board
wieder ins Gehäuse, setzte es in seinen Steckplatz und fuhr den Mainframe
wieder hoch.
    In

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