Cronin, Justin
sendet. Dieselben
Worte: >Wenn ihr sie gefunden habt, bringt sie her.«<
Peter spürte ein leises Schwindelgefühl. »Wie
kann er senden?«
»Weil jemand da ist, Peter. Kapierst du nicht?« Michael lächelte triumphierend.
»Dreiundneunzig Jahre. Das heißt, das Jahr des Ausbruchs. Das will ich damit
sagen. Vor dreiundneunzig Jahren, im Frühling des Jahres Null, in Telluride,
Colorado, hat jemand einem sechsjährigen Mädchen einen nukleargespeisten
Transmitter in den Nacken eingesetzt. Einem Mädchen, das immer noch lebt und
hier in Quarantäne sitzt, als wäre sie geradewegs aus der Zeit Davor hereinspaziert.
Und seit dreiundneunzig Jahren will der, der das getan hat, sie zurückhaben.«
40
Es war kurz vor Halbnacht, und niemand war
unterwegs. Wegen der Ausgangssperre waren alle bis auf die Wachleute in ihren
Häusern. Auf der Mauer schien alles ruhig zu sein. In den letzten paar Stunden
hatte Peter versucht, sich einen Reim auf das Ganze zu machen. Er hatte sich
nicht zum Dienst gemeldet, und niemand hatte nach ihm gesucht; allerdings hätte
wohl auch niemand daran gedacht, im Lichthaus oder in dem Trailer nachzusehen,
in dem er gesessen und das Gefängnis im Auge behalten hatte. Weil die Wache so
stark dezimiert war, hatte Ian am Abend nur einen einzigen Wächter dort
postiert, nämlich Galen Strauss. Aber Peter bezweifelte, dass Sam und die
andern vor dem Morgengrauen irgendetwas unternehmen würden. Und bis dahin
wollte er längst über alle Berge sein.
Das Krankenrevier wurde schwerer bewacht. Dort
standen zwei Wächter, einer vorn und einer an der Rückseite. Sara durfte nach
wie vor kommen und gehen, wie sie wollte. Peter hatte sich im Gebüsch an der
Wand der Zuflucht versteckt und gewartet. Es dauerte lange, bevor die Tür
aufging und Sara auf die Veranda heraustrat. Sie wechselte ein paar Worte mit
dem Wächter, Ben Chou, und dann kam sie die Stufen herunter und ging den Weg
entlang. Offenbar wollte sie nach Hause, um etwas zu essen. Peter folgte ihr in
diskretem Abstand, bis er sicher war, dass sie außer Sichtweite der Mauer
waren. Dann sprach er sie an.
»Komm mit.«
Er führte sie zum Lichthaus, wo Michael und
Elton warteten. Michael wiederholte das, was er Peter erzählt hatte, und sagte
seiner Schwester, was er wusste. Als er von dem Morsesignal sprach und ihr die
Worte im Logbuch zeigte, nahm sie ihm das Buch aus der Hand und schaute es ganz
genau an. »Okay.«
Michael zog die Stirn kraus. »Was soll das
heißen, okay?«
»Michael, es ist nicht so, dass ich an dir
zweifle. Ich kenne dich viel zu lange. Aber was sollen wir mit dieser
Information anfangen? Wie weit ist es von hier bis Colorado? Tausend Meilen?«
»Tausendsechshundert«, sagte Michael.
»Plus-minus.«
»Und wie sollen wir da hinkommen?«
Michael zögerte. Er schaute an seiner Schwester
vorbei zu Elton hinüber, der nickte.
»Das eigentliche Problem ist das, was passiert,
wenn wir nicht hinkommen.«
Und dann erzählte Michael ihnen von den Akkus.
Peter nahm die Nachricht seltsam unbeteiligt und
mit einem Gefühl der Unausweichlichkeit auf. Natürlich ging es mit den Akkus zu
Ende. Die ganze Zeit schon ging es mit den Akkus zu Ende. Er spürte es in allem,
was passiert war, er spürte es in seinem tiefsten Innern, als habe er es schon
immer gewusst. Das Mädchen zum Beispiel. Dies Mädchen, Amy, das Mädchen von
Nirgendwo. Dass sie bei ihnen erschienen war, als es mit den Akkus zu Ende
ging, war mehr als ein bloßer Zufall. Ihm blieb nichts weiter zu tun, als
diesem Wissen entsprechend zu handeln.
Er merkte, dass seit einer Weile niemand mehr
etwas gesagt hatte. »Wer weiß sonst noch davon?«, fragte er Michael.
»Nur wir.« Michael zögerte. »Und dein Bruder.«
»Du hast es Theo gesagt?«
Er nickte. »Ich wünschte immer, ich hätte es
nicht getan. Er war es, der mir gesagt hat, ich soll mit niemandem darüber
sprechen. Bis jetzt habe ich es auch nicht getan.«
Natürlich, dachte Peter. Natürlich hatte sein
Bruder es gewusst.
»Ich nehme an, er wollte nicht, dass die Leute
Angst bekommen«, fuhr Michael fort. »Solange es nichts gab, was wir tun
konnten.«
»Aber du glaubst, jetzt gibt es etwas.«
Michael rieb sich die Augen. Peter sah, dass die
Erschöpfung sich allmählich bemerkbar machte. Keiner von ihnen hatte
geschlafen.
»Du weißt, was ich hier tue, Peter. Das
Funksignal ist wahrscheinlich automatisiert. Aber wenn die Army noch da draußen
ist, dann weiß ich nicht, wie wir einfach untätig
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